: Bürger klagen für Baderecht
Direkte Demokratie hat’s schwer. Zum Beispiel in Braunschweig: Weil die Ratsmehrheit das Bürgerbegehren „Schwimmen in Braunschweig“ blockiert, ziehen die Initiatoren vor Gericht
Im Jahr 2007 wurden im Bundesland Niedersachsen nach Angaben des Vereins Mehr Demokratie 13 Bürgerbegehren gestartet. Drei davon haben die Kommunalverwaltungen für unzulässig erklärt. Besonders drastisch wirkt das in Bodenfelde: Dort hatten rund 40 Prozent der 3.000 Wahlberechtigten das Anliegen unterstützt, das alte Rathaus zu sanieren, statt es durch einen Neubau zu ersetzen. Die Gemeinde hält aber an ihrem Beschluss fest. Einen rauschenden Erfolg feierten hingegen die Tostedter Bürgerbewegten: 86,2 Prozent plädierten im Bürgerentscheid am 6. Mai für den Vorschlag des Begehrens, den Ortskern Todtglüsingen zu erhalten. BES
VON BENNO SCHIRRMEISTER
Die Lokalzeitung bezeichnet sie mitunter als Spaß-Gegner. Aber das ist eine falsche Darstellung: Die Initiatoren des Bürgerbegehrens „Schwimmen in Braunschweig“ fordern von der Stadt zwar auch den Verzicht auf ein neues Spaßbad. Vor allem aber wollen sie, dass die bestehenden Schwimmhallen erhalten bleiben: Für vier von denen sieht das städtische Bäderkonzept nämlich die Schließung vor.
Die Initiative sieht dadurch die Grundversorgung gefährdet. Fürs Schwimmenlernen sei ein Spaßbad nicht geeignet, so Initiativen-Sprecher Hansi Volkmann. Und auch Rentner gehören nicht zum Zielpublikum – obwohl Braunschweig altere: „Alte Menschen brauchen Schwimmbäder in ihrem Stadtteil“, so Volkmann.
Schon im Juni hatte man 23.327 gültige Unterstützer-Unterschriften vorgelegt, fast 4.000 mehr als nötig. Dann hat der Verwaltungsausschuss das Begehren für unzulässig erklärt: Der Kostendeckungsvorschlag sei fehlerhaft. Die Initiatoren haben Klage dagegen eingereicht. In Niedersachsen werden laut dem Verein Mehr Demokratie 40 Prozent der Bürgerbegehren für unzulässig erklärt. Meist wegen des Finanzierungs-Vorbehalts.
Und die Chancen vor Gericht sind eher mau: „Die Hürden“, sagt Dirk Schumacher von Mehr Demokratie, „sind in Niedersachsen sehr hoch, die Regelungen widersprüchlich.“ So würde in den Urteilen zwar regelmäßig darauf hingewiesen, dass die Initiativen nicht über das gleiche finanztechnische Know-how wie die kommunalen Verwaltungen verfügen. „Aber im Grunde fordern es die Richter dann doch ein“. Ja mehr noch: Die Initiativen können auf veränderte Haushaltszahlen nicht mehr reagieren, sobald die Unterschriftensammlung begonnen hat. Schließlich sind die fixierten Werte Bestandteil des unterzeichneten Begehrenstextes. Und schon ist der Kostendeckungsvorschlag fehlerhaft.
Das zweite Problem: Die Zeit läuft. „Wir hoffen“, sagt Volkmann, „dass die Verwaltung schnell reagiert.“ Schließlich würde man das Begehren gerne zeitgleich mit der Landtagswahl durchführen: Für einen anderen Termin 50.000 WählerInnen zu mobilisieren – das wäre ein hartes Stück Arbeit.
Braunschweig muss aber erst am 20. Dezember die Klage erwidert haben. Die Frist nicht auszuschöpfen – das würde einen entsprechenden politischen Willen voraussetzen. Ja Pustekuchen, denken da Braunschweig-Kenner: Die haben doch diesen Gert Hoffmann (CDU), der schon vor drei Jahren das Bürgerbegehren gegen den Bau des Pseudo-Welfenschlosses eiskalt hat auflaufen lassen. Aber der Hoffmann sei diesmal gar nicht der große Verhinderer, sagt Volkmann. Tatsächlich hat der Oberbürgermeister versprochen, alle Kosten verursachenden Planungen fürs Freizeitbad zu stoppen. Das war bei der Übergabe der Unterschriftensammlung, bislang hat er sich daran gehalten, und „die Aussage gilt weiterhin“, so ein Stadtsprecher. Vom Baubeginn 2008 habe man sich bereits verabschiedet. Und ausgeschrieben werde das Projekt auch nicht vor der Gerichtsentscheidung.
Mittlerweile, so Volkmann, sei es in Braunschweig eben „egal ob ein Ex-NPD-Mann oder die SPD-Fraktion das Sagen hat“. Es komme das Gleiche dabei heraus. „Wir wären ja schon froh, wenn gesagt würde: Okay, das Anliegen ist verstanden, wir bessern das Bäderkonzept nach“, sagt Volkmann. Bereit wären dazu die Fraktionen von Bürger in Braunschweig, Die Linke und den Grünen. Doch den Rat dominiert eine CDU-SPD-Koalition.