■ Bücher.klein: Südafrika
Wenn der unmittelbare Nachrichtenschwall gerade versiegt und die Analyse noch stockt, wenn auf den Bruch die Mühen der Ebene folgen, dann bricht die Zeit der Aufarbeitung an. Ein halbes Jahr nach seinem historischen Machtwechsel befällt nun auch Südafrika dieses Schicksal. Mehrere Südafrika-Journalisten haben jetzt Bücher vorgelegt.
Die heiße Nadel, die in den Seiten solcher Bücher noch zu spüren ist, hat ihre Vorzüge: Man kann herumstöbern, die Perspektive einfach wählen und darf auf kräftige Bilder gespannt sein. „Der letzte Treck“ von Hans Brandt und Bartholomäus Grill bedient sich genau dieser Methode: Man geht durch Südafrikas jüngste Geschichte wie durch eine Bildergalerie. Schon die Kapiteltitel zeigen es: „Mandela ist frei“ oder: „Der Quertreiber von Ulundi“. Pro Kapitel ein Porträt, zumeist das eines an ein bestimmtes Ereignis gebundenen Gefühls. Erzählt wird in der Gegenwartsform, man weiß aber immer schon, wie es ausgeht. Das erhebt den Leser. „Der Traum muß noch wahr werden“, lautet der Schlußsatz: Südafrika wird zu einer Art Bildungstableau, sonst auf der Welt nicht mehr zu haben, wo die Geschichte einen bekannten bösen Anfang und ein gutes Ende hat.
Warum hier und nicht im Rest der Welt? Diese Frage wollen die zwei konservativen Kollegen Michael Behrens und Robert von Rimscha in „Gute Hoffnung am Kap?“ ansprechen. Das Buch ist wenig farbenprächtig, dafür will es analytisch hoch hinaus, beginnend mit Enzensbergers Weltbürgerkrieg und endend mit Henry Kissinger. Das kann danebengehen. „Der Haß in Bosnien- Herzegowina ist unauslöschbar in die Seelen und das Gedächtnis der Menschen eingraviert“, erfährt der Leser. „Anders in Südafrika: Der ehemalige Apartheidstaat ist [...] eine politische, wirtschaftliche und kulturelle Einheit.“ Das ist nicht nur peinlich, sondern widerspricht der zentralen These des Buches, daß Südafrika heuer eine Art Wiedervereinigung durchmacht. Also doch zurück zu Brandt und Grill, deren Beschränkung auf reine Beschreibung sich im Laufe der Lektüre immer mehr als Segen erweist. Die Stationen der Befreiung Südafrikas sind in ihrer Atmosphäre einzigartig genug, um mit gelungenen Nacherzählungen zu fesseln. Bei Brandt und Grill zu lesen, wie wenig Ahnung das reiche weiße Sandton immer noch von seinem brodelnden schwarzen Nachbarn Alexandra in Johannesburg hat, ist lehrreicher als Behrens' und von Rimschas blutleere Aufzählung von Bildungsdefizit, Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit, Landfrage und Aids, vom Lesegenuß ganz zu schweigen. Dominic Johnson
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