Buchvorstellung in Berlin: Der "liebe Herr Steinbrück"

Ex-Finanzminister Steinbrück erhält den Buchpreis einer SPD-nahen Stiftung. Sein CDU-Amtsnachfolger Schäuble hält die Festrede. Eine seltene Konstellation.

Laudatio auf den Vorgänger: Finanzminister Schäuble sprach über Steinbrück. Bild: dpa

BERLIN dpa | Nein, ein Problem habe er damit überhaupt nicht gehabt, sagt Wolfgang Schäuble gleich zu Beginn geradeheraus. Er schätze Peer Steinbrück schließlich. Warum also solle er - der Finanzminister von der CDU - keine Festrede halten, wenn sein SPD-Amtsvorgänger einen Buchpreis von der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung erhalte?, fragte Schäuble in den völlig überfüllten Saal hinein. Beifall.

"Wir haben ein gutes Verhältnis zwischen Vorgänger und Nachfolger", schraubte Schäuble die Erwartungen an den gemeinsamen Auftritt der beiden Alphatiere bei der ausverkauften Lesung herunter. Zweier Politiker, die gegensätzlicher nicht sein können, aber auch vieles gemein haben. Steinbrück, ein Mann klarer Worte und unmissverständlicher Provokationen, und Schäuble, der Botschaften häufig in verklausulierten Sätzen herüberbringt und subtiler aneckt.

Beide schätzen und kennen sich aus schwarz-roten Kabinettszeiten. Als Krisenmanager hat jeder seine Erfahrungen. Der eine musste sich bis zum Herbst 2009 während der heftigsten Finanzmarktturbulenzen im schwarz-roten Kabinett bewähren - weitgehend geräuschlos an der Seite von Kanzlerin Angela Merkel. Der andere kämpft seit Herbst 2009 in einer schwarz-gelben Koalition für Euro und Schuldenabbau und liegt auch schon mal mit der Regierungschefin über Kreuz.

Der Ex-Finanzminister, Ex-Ministerpräsident und aktuelle SPD-Abgeordnete Steinbrück schrieb ein Buch, tingelt mit seinem Werk "Unterm Strich" über seine Amtszeit und die fast schon vergessene Finanzkrise durch die Lande und ist so beliebt wie nie zuvor. Auch weil er als SPD-Kanzlerkandidat Merkel herausfordern könnte. Selbst ohne offizielles Amt ist Steinbrück zweitbeliebtester Politiker.

Viel Lob, aber auch Kritik

Auch sein Nachfolger, CDU-Mann Schäuble, punktet derzeit in Umfragen. 85 Prozent der Führungskräfte sind zufrieden mit Schäubles Arbeit. Der kann sich als amtierender Minister aber nicht annähernd so viel Klarheit leisten angesichts nervöser Märkte, muss immer neue Milliarden-Rettungspakete schnüren und kann von Krisen-Rückblick und einem selbstgeschriebenen 480-Seiten-Buch derzeit nur träumen.

Als Laudator ließ Schäuble seine Zurückhaltung fallen. Er hielt eine launige Rede, lobte das Werk "des lieben Herrn Steinbrück" als "lesenswertes Buch, das viele Anstöße gibt" - und witzelte über schwarz-gelbe Empfindlichkeiten. Man könne einen Politiker heute nicht mehr als liebenswürdig bezeichnen. Das - kleiner Seitenhieb auf FDP-Chef Philipp Rösler - könne ja falsch verstanden werden.

Und Sparkommissar Schäuble, der sich seit dem Koalitionsstart mit dem liberalen Regierungspartner reibt, stellte auch gleich weitere Gemeinsamkeiten mit Steinbrück fest: "Je mehr man sich mit den eigenen Reihen anlegt, umso mehr gewinnt man Zustimmung in der Öffentlichkeit." Steinbrück, der seine Genossen schon mal als "Heulsusen" verspottet hatte, kann ein Lied davon singen.

Ganz ohne Kritik an seinem Vorgänger kam Schäuble aber nicht aus. Er erinnerte an die gemeinsame Kabinettszeit. Im September 2008 hatte Steinbrück im Bundestag - kurz nach der Mega-Pleite der US-Bank Lehman und damals noch Optimismus predigender Finanzminister - behauptet, von einer Rezession könne keine Rede sein.

Kein Wort zur Kanzlerkandidatur

Ein kolossaler Irrtum. Er selbst, erinnert sich Schäuble - damals Innenminister - habe auf der Regierungsbank gedacht: "Der muss es ja so sagen." Dann aber - bitteschön - möge Steinbrück dem Amtsnachfolger nicht ähnliches Verhalten vorwerfen: "Wahrheit heißt nicht, alles zu sagen, was man gerade im Kopf hat."

Am Ende blitzte dann doch ganz der CDU-Politiker durch. Schäuble griff ironisch die Spekulationen um Steinbrücks SPD-Kanzlerkandidatur auf. "An Ihrer Miene kann man schon erkennen, wie Sie es genießen", reizte Schäuble den viel gelobten Preisträger und zitierte süffisant Cicero: "Vor Männern, die behaupten, dass sie ein Amt nicht für sich selbst anstreben, muss man sich immer in Acht nehmen. Das sind die eitelsten von allen." Man sei daher wachsam und auf der Hut.

Steinbrück - nicht uneitel und seit Wochen auf einer ungewohnten Popularitätswelle - nahm den "leicht vergifteten" Cicero-Spruch sportlich, gab sich betont gelassen und machte sich über seine Anfänge als Autor lustig. Er kokettierte mit Blick auf Plagiatsaffären damit, dass er "Zeile für Zeile" selbst geschrieben habe. Aber sonst eisernes Schweigen zur Kandidatur. Kein Satz zu Zukunftsplänen.

Dieses leidige Thema griff Peter Struck auf - bis Herbst 2009 SPD-Fraktionschef und inzwischen Chef der Friedrich-Ebert-Stiftung: Zwar würden die letzten Sätze in Steinbrücks Buch sehr nach politischer Schlussbilanz klingen. Aber, so der einstige SPD-Strippenzieher: "Wo und an welcher Stelle auch immer Du wirkst, lieber Peer, Du hast meinen Segen."

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