: Buchloses Vorhaben
■ Öffentliche Bücherhallen: Acht von 54 Hamburger Stadtteilbibliotheken werden abgewickelt. Die neue Direktorin findet's notwendig, der Betriebsrat vermißt das Gesamtkonzept Von Dirk Knipphals
Da waren es nur noch 46. Denn auf acht der gegenwärtig 54 Stadtteilbibliotheken, die die Hamburger Öffentlichen Bücherhallen (HÖB) unterhalten, werden Hamburgs Bürger zukünftig verzichten müssen: Sie werden abgewickelt. Das sei, so Birgit Dankert gegenüber der taz, eine „absolute Notwendigkeit“. Die neue Direktorin der HÖB hat, obwohl erst seit Jahresbeginn im Amt, bereits ausgerechnet, daß „bis Ende dieses Jahres das Defizit der Bücherhallen sich auf zwei Millionen Mark belaufen wird. Da müssen wir die unpopuläre Maßnahme treffen und die laufenden Kosten senken.“
Offiziell entschieden wird die Maßnahme erst auf einer Verwaltungsratssitzung der HÖB am 27. Februar. Aber das ist nur noch Formsache. Kulturbehörden-Pressesprecher Ingo Mix signalisierte gegenüber der taz bereits grundsätzliche Rückendeckung des Schließungsplanes durch Kultursenatorin Christina Weiss: „Es geht nur noch um die Zahl. Welche Standorte betroffen sein werden, ist Sache der Bücherhallen selbst.“
Über die Standorte auf Abruf macht in der Bücherhallen-Verwaltung niemand mehr einen Hehl. Die Vorschlagsliste der Streichkandidatinnen, mit der sie in die Sitzung am 27. Februar gehen wird, hat Birgit Dankert schon in der Schublade (siehe Liste). Mit den beteiligten Mitarbeitern wurde bereits gesprochen. Entlassungen soll es nicht geben, die Auswirkungen der Schließungen für die 39 betroffenen Angestellten werden mit Umsetzungen und Pensionierungen aufgefangen. 1,9 Millionen Mark an Einsparungen soll die Aktion bringen.
Unter den Abwicklungskandidatinnen befinden sich mit den Bücherhallen Eppendorf und Berne zwei sogenannte große Bibliotheken mit einem Bestand von jeweils mehr als 35.000 Medien. Das denkmalgeschützte Haus der Bücherhalle Kohlhöfen, ebenfalls Schließungskandidatin, ist gerade mit großem Aufwand renoviert worden. Berne war, wie Karin Werner vom Betriebsrat der HÖB betont, zudem ein sehr erfolgreicher Standort. Die Ausleihzahlen seien 1995 um fünf Prozent gestiegen.
Birgit Dankert möchte sich lieber von erfolgreichen Standorten trennen, als das Ziel der flächendeckenden Versorgung von Hamburgs BürgerInnen mit Büchern aufzugeben. Sie wickelt also solche Adressen ab, deren Benutzer von nahegelegenen Häusern aufgefangen werden könnten. Insofern folgen für sie die Schließungen trotz mancher Merkwürdigkeit einem durchdachten Plan.
Der Betriebsrat sieht das allerdings anders. Karin Werner: „Der Vorstand hat selbst erklärt, daß es keine fachliche Begründung für die einzelnen Schließungen gibt. Es ist kein Gesamtkonzept erkennbar.“ Zudem befürchtet die Betriebsrätin, daß, wenn das Tabu Schließung erst einmal gebrochen sei, eine Tabula-rasa-Politik folgen könnte.
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