Buchhandlung Taranta Babu: Eine Insel der Sprachen
Es ist eine der letzten alternativen Buchhandlungen Deutschlands, ein Relikt aus den 70er-Jahren: Die Dortmunder Buchhandlung Taranta Babu feiert ihr dreißigjähriges Bestehen.
![](https://taz.de/picture/339895/14/bueher.jpg)
"Hier ist meine Insel", sagt Hasan Sahin. Er steht an der Theke des Literaturcafés Taranta Babu und gießt langsam kochendes Wasser auf die frischen Minzblätter. Den Kopf neigt er dabei nahe an das Glas heran. Auf seinem rechten Auge ist er blind geworden, mit dem linken sieht er nur noch Umrisse.
Dennoch bewegt sich Sahin, 63, schnell und sicher zwischen Café und benachbartem Buchladen hin und her. Schritte, die er seit 30 Jahren geht - als Vorsitzender des "Vereins zur Förderung der interkulturellen Lesekultur", der Café und Buchladen in der Humboldtstraße, in Dortmunds Klinikviertel, betreibt. Es ist eine der letzten alternativen Buchhandlungen Deutschlands, ein Relikt aus den 70er-Jahren.
Mit seiner Gründung 1979 entwickelte sich das Taranta Babu schnell zum Kulturtreffpunkt. Hier lasen Autoren wie Peter Kurzeck, Peter Paul Zahl, der brasilianische Kulturminister Fernando Morais oder die Filmemacherin Emine Sevgi Özdamar; Initiativen von Attac, Rosa-Luxemburg-Club oder Dortmunder Autoren haben im Taranta Babu ihren Stammtisch.
"Ich höre hier täglich vier bis fünf verschiedene Sprachen", sagt Sahin, "wie in meiner Kindheit auf der Insel Büyükada vor Istanbul." Dort lebten Griechen zusammen mit Türken, Armeniern und anderen Volksgruppen. Miteinander leben, jeder in seiner Sprache, aber mit einer gemeinsamen Verkehrssprache - so lautet von jeher Sahins Lebensmotto.
Als 27-Jähriger kam er 1974 nach Dortmund. Er hatte 10 US-Dollar in der Tasche und sprach kein Wort Deutsch. Statt an der Fachhochschule sein in der Türkei begonnenes Fotografiestudium fortzusetzen, gründete er zusammen mit Lehrern und Gastarbeitern schon bald einen der ersten Ausländervereine der Stadt. Es ging um gemeinsame Freizeitgestaltung für deutsche und ausländische Kinder. "Heute redet man über Konzepte für Migranten", sagt er. "Wir haben damals schon gehandelt."
Sahin lernte schnell Deutsch. Mit den Freunden Holger Ziebler und Freddy Schneider-Pass gründete er 1978 den Arbeitskreis "Gemeinsam Lesen", um Gastarbeiterkindern auch Literatur in ihren Muttersprachen zu beschaffen. So entstand auch die Idee zum Buchladen Taranta Babu. Der Name, erinnert an eine äthiopische Freiheitskämpferin, der der türkische Schriftsteller Nazim Hikmet Gedichte aus dem Gefängnis widmete.
"In der Buchhandlung geht es uns auch um Minderheiten, deren Sprachen verboten wurden", sagt Sahin. Als Kind musste er selbst ein Pogrom gegen die griechische Minorität auf Büyükada miterleben, verlor dabei Freunde. Als Student und Mitglied der verbotenen Türkischen Sozialistischen Arbeiterpartei wurde er 1968 verhaftet, floh aus dem Gefängnis nach Frankreich und gelangte später nach Deutschland.
Das Taranta Babu ist seit Jahren Ziel rechtsradikaler Anschläge in Dortmund. Hakenkreuze an der Hauswand, zertrümmerte Fensterscheiben sind keine Seltenheit. Man ließ sich nicht einschüchtern. Auch die ständigen Geldsorgen haben den Verein nicht mürbe gemacht. Auch wenn Sahin daran denkt, sich langsam aus der Leitung zurückzuziehen, um künftig hier und in der Türkei zu leben.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Erpressungs-Diplomatie
Wenn der Golf von Mexiko von der Landkarte verschwindet
80 Jahre nach der Bombardierung
Neonazidemo läuft durch Dresden
Zwei Todesopfer nach Anschlag in München
Schwer verletzte Mutter und Kind gestorben