■ Buch: Stereotypen im Kopf
Geraldine Brooks kommt als Korrespondentin des Wall Street Journal in den Nahen Osten. Die Wandlung ihrer Sekretärin von einer elegant herausgeputzten Frau zum verschleierten Schatten weckt ihr Interesse für das Phänomen des islamischen Fundamentalismus. „War es möglich“, so ihre Fragestellung, „sich auf fortschrittliche Lehren aus dem Koran und der islamischen Gesellschaft zu beziehen und eine Art muslimischen Fundamentalismus zu entwickeln? Könnten muslimische Fundamentalisten mit westlichen Liberalen zusammenleben? Mit diesen Fragen im Kopf nähert sie sich „Allahs Töchtern“.
Ihr Buch mit dem gleichnamigen Titel schildert hauptsächlich persönliche Begegnungen mit muslimischen Frauen. Und Brooks wundert sich: über fehlende Prüderie, die sinnliche Ausstrahlung der Frauen im privaten Bereich einerseits, ihrer Unterdrückung im öffentlichen Leben andrerseits; über die Doppelmoral der Männer in bezug auf Frauen und vieles mehr. Der Orient ist bei Brooks – wie gehabt – bedrohlich fremd und anziehend zugleich.
Dennoch kommt Geraldine Brooks dem fremden Kulturkreis nahe. Sie konstatiert in ihren Schilderungen Brüche, Widersprüche, Ungleichzeitigkeiten in den islamischen Ländern, um letzlich doch nur zu fragen, warum der Islam im allgemeinen, und nicht etwa der islamische Fundamentalismus im besonderen, so frauenfeindlich sei. So differenziert ihre subjektive Schilderung ist, so undifferenziert kommt ihre theoretische Einordnung daher. Diese ist grob, stereotyp und unerschütterlich dem westlichen Maßstab verhaftet. So stellt sie beispielsweise die Barbarei der Klitorisbeschneidung als vorislamische Tradition dar, um gleich darauf zu sagen, der Islam habe alle frauenfeindlichen Traditionen aufgenommen. Damit verbreitet sie den falschen Eindruck, in allen islamischen Ländern würden Mädchen beschnitten. Daß der Islam vom Maghreb bis Indonesien unterschiedliche Ausprägungen hat und einen vielfältigen Kulturkreis umfaßt, unterscheidet Geraldine Brooks nicht. Trotz redlicher Annäherung bleibt der Islam ungebrochen die den Westen und seine Werte bedrohende fundamentalistische Religion.
Zurück in ihrem Heimatland Australien, sieht sie eine neue Welle muslimischer Einwanderer: „Würden sie“, so fragt sie sich, „wenn ihr Zahl wuchs, ihre eigenen Werte auf meine Kultur übertragen?“ Mit Sicherheit nicht. Allenfalls könnten sie ihre Kultur mit dem gleichen absoluten Maßstab der Höherwertigkeit messen, wie sie die ihrige. Und damit jede Annäherung von vornherein ausschließen.Edith Kresta
Geraldine Brooks: „Die Töchter Allahs“. München 1994, 313 Seiten, 39,80 DM.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen