Buch über Geo-Engineering: Planet Erde in ernsthafter Gefahr
Der Träger alternativen Nobelpreises, Pat Mooney, sieht im Geoengineering die größte Gefahr für Mensch und Planet. Die Auswirkungen beschreibt er in dem Buch "Next BANG!".
Von seiner Frau erfuhr Pat Mooney, dass er über eine spezielle Gabe verfüge. Der alternative Nobelpreisträger fragte: Ach, welche denn? Und sie: "Du siehst immer das Dunkle am Ende des Tunnels." Mooney, 63, ist Kanadier und weltweit führender Experte für Welthunger, Genforschung, Bio- und Nanotechnologie. Da bleibt ein gewisser Skeptizismus wohl nicht aus.
In dieser Woche ist er in Bonn, wo er noch bis Sonntag Zeit hat, die 80 Träger des alternativen Nobelpreises für eine noble Allianz gegen eine bisher kaum diskutierte Megatechnologie zu gewinnen: Geoengineering. Das bedeutet die absichtliche Manipulation der großen planetaren Ökosysteme, um den Klimawandel aufzuhalten. Mooney nennt es in einem offenen Brief an die Kollegen Preisträger die "neueste und womöglich bedrohlichste Gefahr für die Menschen und unseren Planeten". Soeben hat er dazu auch ein Buch veröffentlicht: "Next BANG!".
Blockierte Sonnenstrahlen
Pat Mooney, "Next BANG! Wie das riskante Spiel mit Megatechnologien unsere Existenz bedroht". Oekom Verlag, München 2010, 230 Seiten, 19,90 Euro
Geoengineering kommt daher wie Frank Schätzings letzter Weltraumökoroman "Limit". Die faszinierendste Idee: Man schießt mit einer Silberkugel Wolken aus Sulfatnanopartikeln in die höheren Luftschichten der Stratosphäre. Das soll schädliche Sonnenstrahlen blockieren und die Temperatur senken.
Oder man streut Eisenpartikel auf die Meeresoberfläche, um Kohlendioxid absorbierende Algen zu vermehren und so die Meerestemperatur zu senken. Es ist das transglobale Update des alten Traums vom Regenmachen. Nur, dass nicht die Medizinmänner der Stämme dran werkeln, sondern die Ingenieure von Unternehmen, die das große Geschäft wittern.
Es ist ein verführender Gedanke für Politiker und Bürger, dass uns eine Silberkugel den ganzen lästigen Ärger mit dem Klimawandel vom Hals schaffen könnte. Aber um welchen Preis?
Der Weltklimarat IPCC hat auf die unkalkulierbaren Risiken hingewiesen. Mooney, seine Organisation ETC Group und andere NGOs haben 2008 die Mitglieder der UN-Biodiversitätskonvention zur Verabschiedung eines Moratoriums gebracht.
Fehlende Verantwortung
Aber Mooney hat selbst eine Expertise für das Weiße Haus angefertigt, und für ihn ist klar, dass sich die USA ernsthaft mit Geoengineering als "Plan B" beschäftigen. Obamas Energieminister Steven Chu gilt als Befürworter. Die Berater, die gestern noch dagegen waren, schweigen heute. Und der Präsident werde sich irgendwann dem Argument beugen, zumindest die Erprobung von Geoengineering weiterzuverfolgen, weil das immer noch besser sei, als den Planeten abzubrennen. Ein globales Klimakonzept gilt vielen nicht erst seit Kopenhagen als sehr unwahrscheinlich. Hier bräuchte man keine globale Allianz. Man könnte mit dem alten Argument kommen, dass die USA - und ein paar wohlhabende Industriestaaten - die Weltverantwortung übernehmen.
Sollte man sich das als Ausweg offen halten? Nein, sagt Mooney beim Gespräch in einem Berliner Hotel. Erstens: Schon die Experimente müssten so groß angelegt sein, dass die Auswirkungen unkalkulierbar seien, vor allem für den ärmeren Teil der Welt. Zweitens: "In dem Moment, in dem es heißt, es gäbe eine umfassende Lösung für das Klimaproblem, sagen alle Politiker: Dont worry, be happy. Wir können aufhören, die Industrie zu beunruhigen, alles kann so weiterlaufen." Und jeder, der vor einer Wahl stehe, sage: "Entspannt euch, Leute, wir haben die Lösung, wir sorgen für euch." Ein weiteres Argument: Selbst wenn Schwefelwolken in der Stratosphäre die vom Kohlendioxid aufgeheizte Temperatur zunächst senkten, brächte das langfristig nichts, wenn weiterhin immer mehr CO2 ausgestoßen wird. Für Pat Mooney ist Geoengineering ein fataler "Fluchtweg" für Politiker aus ihrer Verantwortung, genauer gesagt, für einen "Haufen weißer Jungs in den Industrienationen". Diese Jungs, sagt er, "haben nicht einmal den Mut, der Gesellschaft zu sagen, dass sie auch mal den Bus nehmen kann. Wie könnten wir jemals annehmen, dass sie die Intelligenz und die Integrität haben, um den Thermostat des Planeten zu managen? Auf eine Art, die die Interessen von Asien, Afrika, Lateinamerika beinhaltet?" Und nicht nur die der Unternehmen, die die Technologien verkaufen.
Übrigens ist Mooney nach eigener Einschätzung alles andere als ein Pessimist. Er fürchte nicht das Ende der Menschheit und schreibe über Dinge, "die uns von Armageddon" wegbringen. Das stimmt: Er weiß, dass es mit einem Stopp von Geoengineering nicht getan ist. Das Herausarbeiten von positiven alternativen Szenarien ist Teil des Buchs "Next BANG!" Die Überwindung der Klimakrise ist für ihn ein langwieriger Prozess. "Die nächsten drei bis sechs Jahrzehnte werden lausig", sagt Pat Mooney. Wer also selbst noch das Helle am Ende dieses Tunnels sehen will, sollte heute relativ jung sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Krieg in der Ukraine
Russland droht mit „schärfsten Reaktionen“
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken