■ Buch oder Bildschirm?: Ein Liebesgedicht auf dem Laptop lesen
Susanne, 22 Jahre, Studentin
Ich werde weiterhin Bücher lesen. Zu Computern und Disketten fehlt mir einfach das Vertrauen. Die können einem ja alles erzählen. An der Universität habe ich den Umgang mit diesen Geräten zum Glück bislang vermeiden können. Vielleicht wird man mich auch dazu noch zwingen. Wenn es die Bibel bald auf CD-Rom geben sollte, kann mir das ziemlich egal sein. Ich hab sie ja schon als Buch.
Guido, 23 Jahre, Student
Andere Arten von Informationsverbreitung werden das Buch über kurz oder lang überflüssig machen. Spätere Generationen, die nicht mit dem Buch aufgewachsen sind, werden es auch nicht vermissen. Warum nicht auch Liebeslyrik auf dem Laptop? Davon abgesehen, gehört ein Liebesgedicht auch nicht in ein gedrucktes Buch, sondern sollte mit der Hand geschrieben sein.
Renate, 46 Jahre, Schmuckverkäuferin
Ich lese viel und gern. Was gerade auf meinem Nachttisch liegt? Die Fernsehillustrierte. Daß es die bald nur noch auf dem Computer gibt, kann ich mir schon vorstellen, die erfinden ja immer was Neues. Aber das behagt mir nicht. Das Lesen würde ja auch viel teurer werden. Stellen Sie sich vor, man müßte sich erst einen Computer kaufen, wenn man bloß den Kurier lesen will.
Anne, 25 Jahre, Buchhändlerin
Derjenige, der plant, das Buch abzuschaffen, will mich wohl arbeitslos machen. Man muß sich vorstellen, in der U-Bahn würden plötzlich alle ihre Laptops auspacken. Nein, ich glaube, auf das Buch will so schnell keiner verzichten. Außerdem würde ich die Fettflecken vermissen, die Eselsohren und Randbemerkungen. Widmungen auf Diskette – das wäre doch eine Zumutung.
Dr. Piacentini, 64 Jahre, Philologe
Ich bin sicher, das Buch wird es immer geben. Ein Leben ohne Bücher könnte ich mir auch gar nicht vorstellen. Vielleicht bin ich konservativ, aber ich finde Bücher einfach schön. Wenn wirklich einmal der Zeitpunkt kommen sollte, an dem alle Verlage ihre Produktion einstellen und Chipfabriken uns mit Literatur beliefern, lege ich mir rechtzeitig einen Vorrat an, der bis zu meinem Lebensende reicht.
Dieter, 47 J., Verkäufer der Obdachlosenzeitung „Mob“
Die Mob auf CD-Rom – kein übler Gedanke. Wenn allerdings statt Bücher nur noch Disketten verkauft würden, müßte ein spezielles Sozialprogramm folgen: Laptops für Obdachlose. Zu anderen Leuten gehe ich nämlich nur ungern zum Lesen. Dann sähe man es nachts unter allen Spreebrücken leuchten, und ich hätte statt eines Briefkastens wenigstens eine Mailbox.
Umfrage: Noäl Rademacher
Fotos: Rolf Schulten
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