Brot und Brötchen: Gebacken ist nicht gleich gebacken
Mit Schaubäckereien lockt die Kette Kamps neuerdings Kunden an. Dabei werden hier nur Teiglinge in den Ofen geschoben.
Die Erklärung des Backkonzerns Kamps zu seinem neuen Konzept der "Backstube" klingt viel versprechend. "In der Kamps Backstube schauen Sie dem Bäcker über die Schulter und erleben, wie er Brot und Backwaren von Hand und mit Liebe zum Detail backt, belegt und verziert", heißt es dort. In Zeiten, in denen keiner mehr weiß, wo sein Essen tatsächlich herkommt und was drin steckt, setzt ein Großunternehmen auf Transparenz. Bei genauerem Hinschauen entpuppt sich das Modell indes mehr als Werbegag denn als Rückkehr zum Handwerk - und als Versuch, sich in dem umkämpften Markt von Billig-Ketten und Aufbackware in Supermärkten abzusetzen.
Im Frühjahr hatte das Unternehmen bekannt gegeben, 85 seiner Berliner Filialen an den Industriebäcker "De Mäkelbörger" zu verkaufen. Auch die Backfabrik an der Prenzlauer Promenade ging an den Mitbewerber. Zuvor wurden dort die Waren für den Berliner Raum hergestellt. Neun Geschäfte behielt Kamps - um sie zu "Erlebnisbäckereien" umzubauen. Bundesweit verfolgt das Unternehmen eine ähnliche Strategie.
"Frische und Handwerk erleben und in gemütlicher Atmosphäre verweilen", beschreibt die Firma ihre Idee. Wer tatsächlich zusehen will beim Backen, muss zumindest in der Filiale am Checkpoint Charlie früh aufstehen. "Kommen Sie vorbei, um drei Uhr geht es hier los", sagt die Verkäuferin auf die Frage, wo denn hier öffentlich gebacken werde. Am Nachmittag schieben die MitarbeiterInnen allenfalls noch ein paar Bleche in die Öfen. Die liegen jedoch ziemlich versteckt hinter der Theke, viel zu sehen ist da nicht. Würde sich wenigstens das frühe Aufstehen lohnen? Ein Anruf bei der Kommunikationsagentur von Kamps.
"Das Konzept ist eine Mischung aus industrieller Standardisierung und Qualitätssicherung", bekennt die Frau, die als "eine Unternehmenssprecherin" zitiert werden möchte. Die Teiglinge würden in den Backzentralen in Schwalmtal und Dortmund hergestellt und täglich per Lastwagen nach Berlin geliefert. In den "Backstuben" würden Mitarbeiter die Teiglinge kneten, bestreuen und in den Ofen schieben - das dürfe jeder sehen. In den meisten Filialen werde tatsächlich den ganzen Tag über gebacken, sagt die Sprecherin weiter. Brot, Brötchen, Gebäck und Kuchen könnten so immer wieder frisch in die Auslage gepackt werden. "Das ist in Deutschland einzigartig."
Die Branche rümpft trotzdem die Nase. "In einer Bäckerei, in der richtig gebacken wird, braucht man einen Produktionsraum, man muss Säcke anlagern können, braucht Siloanlagen, Platz für Teigmaschinen", sagt der Landesobermeister der Bäcker-Innung, Hans-Joachim Blauert. Er muss es wissen: Blauert ist selbst Bäcker in Lichterfelde. Möglich seien solche echten Erlebnisbäckereien durchaus: Blauert erwähnt etwa eine Bäckerei auf einer Autobahnraststätte in Thüringen, wo von der Mehlanlieferung bis zum fertigen Brötchen alle Produktionsschritte beobachtet werden könnten.
Gleichwohl will Blauert über Kamps nichts Schlechtes sagen. Als der Konzern im Zuge seiner Expansionsstrategie in den 90er Jahren nach Berlin kam, "ging ein Aufatmen durch die Bäckerlandschaft", erinnert sich der Bäcker, denn: "Kamps hat die Preise nicht nach unten gedrückt." Die Jahre nach der Wende waren harte Zeiten für Handwerksbäcker - von den einst 600 Unternehmen überlebte weniger als ein Drittel. Die verbliebenen behaupten sich mit Qualität und dank der Sehnsucht nach einem Geschmack aus der Heimat - sie kämpfen gegen Discountbäcker, Backshops und Tankstellen. "Jede Lottobude bietet Aufgebackenes an, dabei kann alles nur ein Mal gegessen werden", sagt Blauert. Wo deren Teiglinge herkämen, wolle er gar nicht so genau wissen.
Tatsächlich bietet Kamps keine Billigware an, manches am Checkpoint Charlie kostet doppelt so viel wie im schräg gegenüber liegenden Selbstbedienungs-Backshop. Bis zum vergangenen Jahr war der Großbäcker gar Innungsmitglied - nur ist das Berliner Werk nun verkauft. Produziert wird im Ruhrgebiet.
Leser*innenkommentare
Karabi
Gast
wir essen seit Jahren ausschließlich Brot aus unserem Brotbackautomaten mit Trockenfrüchten, verschiedenen Nüssen und Gewürzen. Ist preiswert , geht schnell, duftet und schmeckt wunderbar .
Jan
Gast
Wenn der Herr Baecker wissen will, was in den Broetchen der Backshops drin ist, braucht er nur das Etikett im Regal zu lesen. Bei den Backshops stehen naemlich, anders als bei den Baeckerein, dran, was drin ist. Das ist fuer mich ein wichtiger Grund, warum ich lieber beim Discounter kaufe. Die besseren Preise tun ihr uebriges...
Fussel
Gast
Schon der Name „Back-Shop“ oder sogar „Bäckerei“ ist doch fiese Kundentäuschung, die verboten gehört. Die Läden sollte den Namen tragen, der zu den Produkten passt, es sind allenfalls „Toaster“ oder „Toast-Shops“.
Enzo Aduro
Gast
Und?
Fordern Sie auch ein ende der Fließbandfertigung von Autos?
Es ist ein Fortschritt an Effizienz wenn man das in großen Fabriken macht.
Die "manuellen" Bäcker müssen sich eine Niesche in Spezialitäten suchen, die die Großbäckereien nicht so gut füllen können. Das werden nicht alle schaffen. Das nennt man Marktbereinigung.
Den Kunden hilft es, weil so das Brot billiger wird. Wenn Sie wirklich bereit sind für den Qualitätsunterschied zu zahlen, können Sie das immer noch.
Johnny Cynic
Gast
Und was bitte, liebe Kristina soll an der Nachricht "neu(erdings)" sein?
Dass die unterbezahlte, angelernte Hilfskraft nicht bäckt sondern Halbfertigprodukte aufwärmt?
Da ist nicht nur der Kamps mit der schrillen Schwiegertochter mit dabei, die vor einiger Zeit in der Taz hochgelobten "backshops" funktionieren alle nach dem selben Muster.
Zum Führen eine rechten Bäckerei braucht frau immer noch den Meisterbrief!
Aber klar, Ihr wollt ja die "frischen" Brötchen für 20 Cent und die "frische" Breze für 35 Cent.
Dann fresst den Dreck auch gefälligst ohne Murren.