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Archiv-Artikel

Ist Schweden das neue Epizentrum des Gitarrenpop? „Eskobar“ spielen im Grünspan Britpop is over

Auf dem zweiten Album der Gitarrenpop-Band Eskobar aus Schweden fragt Sänger Daniel Bellqvist ganz keck und plakativ in einem Songtitel: „Why London?“ Diese sehr gute Frage kommt zwar im Text mehr als Unverständnis gegenüber einem Freund rüber, könnte mit einem Blick auf die weitere Entwicklung der dreiköpfigen Band jedoch fast prophetisch wirken.

Seit zehn Jahren spielen die Freunde aus einem Vorort von Stockholm bereits zusammen, ihr erst drittes Album A Thousand Last Chances ist soeben erschienen, und beim Hören dieses leichthändig arrangierten Songwriterpops mag man sich wirklich fragen: Warum noch nach London schauen? Denn in puncto Gitarrenpop-Kompetenz scheint das neue England in Schweden zu liegen. Beispiele gibt es zuhauf: The Crash etwa wurden durch ihren charmanten Singalong in der eBay-Werbung bekannt, Paris oder Granada ertouren sich mit leichtfüßigem Gesang ihre Freunde, die Gruppe Kent bekommt schon länger Kritikerlorbeeren.

Gemein haben diese Bands, dass sie sich herrlich unaufgeregt präsentieren. Zu entspannt scheinen all diese Nordlichter zu sein, um sich wie ihre englischen Kollegen als mal wieder größte Band der Welt zu titulieren, als ständig neue Beatles, als allwöchentlicher Superhype. Fraglich ist also, ob bald analog zum Britpop, dem großen Ding der Endneunziger, das sich bald als zu penetrant für diese Welt erwies, schon bald zu Recht die Rede ist von Skanpop oder Schwedpop oder wie auch immer.

Verständlicherweise gut geht es somit Eskobar. In ihrem Heimatland sind sie Helden, ihre Alben führen die Charts an, und mit Someone New, einem bezaubernd schönen Duett mit Heather Nova, haben sie eine der bestverkauften Singles in Schweden eingesungen. Auch außerhalb Skandinaviens wird die Resonanz für die leidenschaftlichen DVD-Sammler stetig größer: In Frankreich oder Deutschland scharen sie Fans um sich, die Japaner schätzen ihre Musik, und in Litauen spielten sie vor 80.000 Zuschauern.

Zu Recht, denn Eskobar sind ein kleiner Genuss mit ihrem getragenen, etwas weltfernen Gitarrenpop. Große Melodien wie bei den Stadionbands der Achtziger tauchen bei ihnen auf, erlernter Rootsrock trifft auf geschickt eingesetzte, sparsame Elektronika. In diesem Umfeld schreibt Daniel Bellqvist Lieder, die selbst die Tiefgängigkeit all der lebensverneinenden Songschreiber dieser Welt nicht zu scheuen braucht. Doch wo sonst betörende Melancholie entsteht, gelingt es Eskobar, ein scheinbar diebisches Vergnügen aus ihrer Musik zu ziehen. Und so präsentieren sie Pop ohne Kitsch, Gitarren ohne Proll, Elektronik ohne Bombast, Sentiment ohne Suizid. In England würde man sicher vom nächsten großen Ding reden, Eskobar hingegen grinsen nur milde in sich hinein und kämmen sich ihren Fransenpony. Der Gang in den Grünspan lohnt sich also, zumal die auch nicht schlechten Something For Kate aus Australien vorweg spielen. Volker Peschel

Samstag, 20 Uhr, Grünspan