■ British Airways: In Großbritannien wird wieder gestreikt: Eine Peinlichkeit für Tony Blair
Auf den ersten Blick erscheint der Streik bei British Airways wie eine Kuriosität aus vergangenen Zeiten. Arbeitgeber und Gewerkschaften beschimpfen sich und rüsten zu einer Konfrontation, als steckten die Briten noch in den krisenhaften siebziger Jahren. Dem Streik liegen traditionelle Konflikte zugrunde: British Airways will in den nächsten drei Jahren 6 Milliarden Pfund (18 Milliarden Mark) investieren und dafür 1 Milliarde Pfund (3 Milliarden Mark) einsparen; die Konzernspitze behauptet, niemand müsse mit weniger Geld rechnen, erklärt zugleich die Gehaltskürzungen für nicht verhandelbar und hält dazu die Einzelheiten der geplanten Veränderungen unter Verschluß. So ein Unternehmerverhalten hat in den neunziger Jahren eigentlich nichts zu suchen.
Aber der Streik hat mit der Gegenwart in Wirklichkeit sehr viel zu tun. In der neuen Dienstleistungsökonomie, die in Großbritannien mehr als anderswo in Europa die alte Industriegesellschaft abgelöst hat, sind Arbeitsplätze unsicherer und austauschbarer als früher. Manager werden in Sechs-Tage-Schnellkursen zu Streikbrechern umgeschult, und einfache Angestellte fühlen ihre Loyalität zum Betrieb mit Füßen getreten. Nicht Angst vor Arbeitslosigkeit, sondern Unmut über hochnäsige und hochbezahlte Unternehmer und die immer wieder drohende Verschlechterung der Arbeitsbedingungen bestimmen die Stimmung in britischen Betrieben. Je mehr Großbritannien wieder der Vollbeschäftigung entgegenstrebt, desto bereitwilliger riskieren Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz, um ihre Lage zu verbessern – gerade weil ja so viele der neuen Arbeitsplätze Billigjobs sind.
Für Tony Blair ist der Streik mehr als peinlich. Erst vor zwei Monaten gewann er die Wahlen mit der Vision einer heilen Gemeinschaft als Abfederung ökonomischer Unsicherheit. Nun holt ihn auf den Flughäfen von London ebenso wie in den Straßen von Nordirland eine Realität ein, die er nicht selber kontrolliert. Der Konzernchef hinter dem Streik ist dazu noch ein Freund Blairs, den dieser eigentlich nach dem Wahlsieg als seinen persönlichen Chefberater einstellen wollte und der jetzt statt dessen neben dem Labour-Chefideologen Peter Mandelson im Regierungsauftrag die Feiern zur Jahrtausendwende vorbereitet. Spätestens jetzt müßten die britischen Gewerkschaften eigentlich froh darüber sein, daß ihre einstige politische Vertretung namens Labour nichts mehr von ihnen wissen will. Dominic Johnson
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