Britischer Mailbox-Hacking-Skandal: Das Schlimmste noch vor sich

In London geht die Untersuchung des Phone-Hacking-Skandals mit neuerlichen Verhaftungen weiter. Und ein Film dazu ist auch schon gedreht. Deutschland darf neidisch sein.

Am Freitag verhaftet: Rebekah Brooks – hier mit ihrem Verleger Rupert Murdoch. Bild: dpa

BERLIN taz | Eins zumindest ist sicher: In Großbritannien wäre Kai Diekmanns Mailbox längst gehackt und der Volltext der bundespräsidialen Adventsgrüße genüsslich in den Medien ausgebreitet. Stattdessen ergeht sich Deutschland im Geraune. Und ausgerechnet Dieter Wedel erspäht in der Causa Wulff großen Filmstoff. Gähn. Wetten, dass dessen Realisierung, wenn überhaupt, nicht vor Ablauf der regulären Amtszeit des Präsidenten das Licht des Fernsehschirms erblickt?

Die Kollegen auf der Insel sind da fixer: Am Neujahrsabend zeigte der Channel 4 die Satire "Hacks": In nur drei Monaten mal eben die Murdoch-Phone-Hacking-Saga verfilmt, natürlich sind Ähnlichkeiten mit lebenden Personen reiner Zufall.

In Wahrheit haben Murdoch & Co. das Schlimmste noch vor sich. Die Mühlen der Polizei, die den Phone-Hacking-Skandal des im letzten Sommer eingestellten Sonntagsblatts News of the World aufklären, kommen immer näher. Am Freitagmorgen wurde nach britischen Presseberichten auch die langjährige Büroleiterin von Rebekah Brooks, ehemals Sun- und News-of-the-World-Chefredakteurin und späteren Vorständin von Murdochs britischer Zeitungsholding, News International, verhaftet. Auch Brooks selbst ist nur auf Kaution weiter auf freiem Fuß.

Heute nimmt die offizielle Untersuchungskommission von Lordrichter Brian Leveson ihre Arbeit wieder auf. Auch hier dürfte es gleich wieder kritisch für Murdoch und die Seinen werden: Am ersten Anhörungstag nach der Weihnachtspause werden diverse aktive und gewesene Chef- und leitende Redakteure der Sun vernommen. Auch Sun-Mitarbeiter sollen am Phone-Hacking beteiligt gewesen sein.

Wie verändert das Internet die Arbeit der Journalisten?

Doch Levesons Untersuchung wird in den nächsten Monaten noch etwas viel Bemerkenswerteres leisten: Sie will auch die gegenwärtigen Arbeitsbedingungen der Presse durchleuchten, ermitteln, wie das Internet, 24-Stunden-Nachrichtenkanäle und Social Media die Arbeit und Arbeitsbedingungen von Journalisten verändern. Das wäre auch hierzulande überfällig: Zwar werden diese Themen an Medienstammtischen und auf Fachtagungen gern gestreift. Belastbare Erkenntnisse, die über ein "weniger Zeit, weniger Geld, mehr Arbeit und deswegen kaum noch Recherche" hinausgehen, gibt es aber nicht.

Das erweist sich als höchst gefährlich. Deutschlands Verleger nutzen diese Wissenslücke jedenfalls geschickt: Gegenüber der Politik präsentieren sie sich trotz gar nicht so schlechter Einnahmen als arme Gebeutelte, die ihr Heil leider, leider im Ausdünnen von publizistischer Vielfalt suchen müssen. Ihre Forderung: ein Aushebeln der strengen Kartellregeln für die Presse, damit auch Großverlage künftig wieder auf Einkaufstour gehen können.

Eine staatlich in Auftrag gegebene öffentliche Anhörung, wie die in London, könnte hier etwas Licht ins Dunkel bringen. Und sich zur Not auch um ethische Standards kümmern, wie sehr man auskunftsunfreudige Bundespräsidenten piesacken darf.

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