Britische Regierungspartei stürzt ab: Down Labour
Bei den Kommunalwahlen in England und Wales ist die Labour-Partei in ein historisches Tief gestürzt. Ist das das Ende der Ära New Labour?
Es war Gordon Browns erster Stimmungstest, seit er im vorigen Sommer das Amt des britischen Premierministers übernahm. Das Ergebnis ist schlimmer ausgefallen, als es selbst die größten Pessimisten der Labour Party befürchtet hatten. Mit nur 24 Prozent der Stimmen bei den Kommunalwahlen in England und Wales landete die Regierungspartei 20 Punkte hinter den Tories. So schlecht hat die Regierungspartei seit 40 Jahren nicht abgeschnitten.
Insgesamt standen 4.102 Mandate zur Wahl, Labour verlor mehr als 200, die meisten davon an die Tories. Überträgt man die Zahlen auf Parlamentswahlen, so hätten die Tories eine komfortable Mehrheit von 138 Sitzen. Bei Kommunalwahlen spielen allerdings andere Faktoren eine Rolle. Brown machte die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, unter denen Großbritannien erstmals seit dem Labour-Sieg 1997 leidet, für die Schlappe verantwortlich.
Er räumte ein, dass es "ein enttäuschender, ja sogar schlechter Tag für Labour" war. "Der wirkliche Test für eine Regierung ist nicht, was in erfolgreichen Zeiten passiert, sondern was unter schwierigen Umständen geschieht", sagte er. "Mein Job ist es, zuzuhören und zu führen, und genau das werde ich tun." Staatssekretär Ed Milliband sagt: "Wir müssen zeigen, dass wir die schwierige wirtschaftliche Situation meistern können. Die Leute haben sich an den Wohlstand gewöhnt. Nun ist er gefährdet."
Geoff Hoon, Labour-Fraktionschef im Unterhaus, versuchte, dem Wahlergebnis eine positive Seite abzugewinnen, was in Anbetracht der Zahlen eingies an gedanklicher Akrobatik erforderte. "Die Menschen haben im ganzen Land gegen die Regierung gestimmt, aber sie haben nicht überall für die Tories gestimmt", sagte er. "Es gibt keine durchgängige Opposition gegen Labour. Wenn die Menschen entscheiden müssen, wer das Land regieren soll, kommen sie zu uns zurück."
Vorerst aber sind sie zu den zu den Tories gegangen. Besonders überraschend war das Wahlergebnis in Harlow, einer Labour-Hochburg, in der die Regierungspartei keinen einzigen Wahlbezirk gewinnen konnte. Dort regieren die Konservativen nun zum ersten Mal in ihrer Geschichte. Und auch viele Gemeinden in Süd-Wales, die seit eh und je Labour gewählt hatten, gingen für die Partei verloren.
George Osborne, Finanzminister im Tory-Schattenkabinett, frohlockte: "Ein wahrhaft schockierender Abend für Labour." Labours Olympiaministerin Tessa Jowell räumte indes ein: "Niemand wird vorgeben, dass dies unser größter Tag war." Bei den meisten Politikern aus der Labour-Führungsetage herrschte die Einsicht, dass sich etwas ändern müsse - und sei es nur im Stil. Charles Clarke, Innenminister in Blairs Kabinett, sagte: "Das ist eine echte Botschaft der Wählerschaft für uns: Sie mögen einige Dinge nicht, die wir machen. Wir müssen unsere Botschaft überzeugender als bisher vermitteln." John Denham, Staatssekretär für die Universitäten, meinte: "Wenn wir den Wählern zeigen, dass wir ihre Sorgen ernst nehmen und etwas tun, können und werden wir die nächsten Wahlen gewinnen."
John McDonnell, der voriges Jahr gegen Brown antreten wollte, seine Kandidatur aber zurückzog, forderte als Einziger tiefgreifende Veränderungen in der Labour-Politik: "Trotz aller Warnungen von Labour-Abgeordneten und Partei-Aktivisten hat uns die Politik von New Labour in eine Sackgasse geführt. Ohne einen radikalen Kurswechsel werden wir zusehen müssen, wie die Labour-Regierung abdanken muss."
Gestern Abend musste sich Brown auf einen weiteren Tiefschlag gefasst machen. Bei Redaktionsschluss deutete alles darauf hin, dass Londons Bürgermeister Ken Livingstone nach acht Jahren im Amt seinen Stuhl räumen müsse. Der Tory-Herausforderer Boris Johnson lag nach letzten Hochrechnungen knapp vorne.
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