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Britische Regierungspartei in AgonieLabours Krise, letzter Akt

Im Todeskampf der Regierung Brown spiegelt sich die Krise der Linken. Aber die Wahlniederlage hat die Stellung von Premier Brown eventuell sogar gestärkt.

Löst sich auf: Britisches Regierungskabinett. Bild: dpa

BERLIN | Das Wahldebakel der Labour-Partei und der öffentliche Zerfall der Regierung Gordon Brown ist nicht einfach auf den Parlamentsspesenskandal zurückzuführen, der die britische Öffentlichkeit seit einem Monat in Atem hält. Dieser Skandal hat die gesamte politische Klasse Großbritanniens diskreditiert, dürfte also weder der konservativen Opposition Auftrieb geben noch die Labour-Führungsriege in bitteren Streit treiben.

Labours Krise geht viel tiefer. Die Partei hat ihre Identität verloren. Der Elan, der sie 1997 unter Tony Blair nach achtzehn Jahren konservativer Herrschaft unter der Parole "New Labour, New Britain" an die Macht führte, ist längst verschwunden, und zurück zu ihren alten Wurzeln findet die britische Arbeiterpartei nicht mehr. Die einst ermatteten Konservativen haben die New-Labour-Rolle des Modernisierers übernommen und damit die aufstrebende Mittelklasse zurückgewonnen. Liberaldemokraten, Grüne und parteilose lokale Aktivisten bieten der von Blair hinausgeekelten linken Basis eine neue Heimat. Die rechtsextreme British National Party biedert sich der weißen Arbeiterklasse als "die Labour-Partei eurer Großväter" an. Dazwischen ist kein Raum, außer man sitzt im öffentlichen Dienst und verdankt seinen Job einer Ministerialbürokratie. Und auch deren Zukunft ist in Zeiten der Wirtschaftskrise nicht gesichert.

Der Irakkrieg 2003 zerstörte das Vertrauen der Briten in Tony Blair; sein Nachfolger Gordon Brown hat Vertrauen nie genossen. Dass Brown nach seiner Amtsübernahme von einem abgehalfterten Blair vor knapp zwei Jahren nicht sofort Neuwahlen ausrief, um sich eine eigene Legitimation zu schaffen, macht ihn jetzt handlungsunfähig gegenüber der eigenen Partei. Labours Bonzen haben ihn zum Premierminister erhoben, um ihre Haut zu retten, und sie können ihn mit dem gleichen Motiv auch wieder entfernen. Das ist die Logik hinter dem Rücktrittsschreiben von Arbeitsminister Purnell, der laut sagt, was die Mehrheit der Mandatsträger der Partei denkt.

Aber paradoxerweise hat die Wahlkatastrophe Browns Stellung eventuell gestärkt. Der ungeliebte Premier hat einen so großen Mist gebaut, dass er die gesamte Partei beschädigt. Wenn aber keine Hoffnung besteht, dass Labour sich kurzfristig erholen könnte, braucht auch niemand zu putschen. Die skrupellosen Strategen Peter Mandelson und Alastair Campbell, die Labour beibrachten, den nächsten Wahlsieg über alle Prinzipien zu stellen, haben dies erkannt und stützen jetzt Brown, wenngleich eher in der Weise, in der der Strick den Gehenkten hält.

Für die Konservativen unter David Cameron ist das ein Geschenk des Himmels. Monatelang mussten sie fürchten, Wirtschaftsfachmann Brown könnte dem auf den Wellen des Zeitgeists surfenden Cameron die Show stehlen. Die "Cameroons", wie die Tory-Modernisierer genannt werden, haben nun stattdessen die Glaubwürdigkeitskrise des politischen Establishments für sich zu nutzen gewusst, während Brown aufgrund seiner Abhängigkeit von der Labour-Spitze gelähmt erscheint.

Seit er 2005 Führer der Konservativen wurde, hat Cameron vergeblich nach einem eindeutigen Symbol gesucht, mit dem er seiner Partei seinen Stempel aufdrückt. Tony Blair schaffte das, als er das Bekenntnis zur Vergesellschaftung der Produktionsmittel, die "Clause Four", aus der Parteisatzung strich. Erst dieser symbolische Bruch mit dem Sozialismus machte Labour nach einer Generation Thatcherismus regierungsfähig. Camerons Konservative wiederum schleppen bis heute den aus den 1990er-Jahren geerbten Ruf von Gier und anrüchiger Bereicherung mit sich herum. Nun hat der Spesenskandal Cameron die goldene Gelegenheit geboten, die alte Garde der Tories endgültig abzusägen. Die kommunalen Wahlerfolge haben ihn belohnt.

Aber 2009 ist nicht 1997, und bei einem Machtantritt wird Cameron keinen Vertrauensvorschuss mehr genießen wie damals Blair. Prozentual gesehen sind Protestparteien ohne fähiges Personal, örtliche Kampagnen und vor allem die Wahlenthaltung die großen Gewinner der Wahlen vom Donnerstag. Die britische Politik ist kurzatmiger geworden. Deswegen wünschen sich Konservative und Liberaldemokraten Neuwahlen so schnell wie möglich, während es bei Labours internen Debatten nur noch darum geht, ob man die Wahlen besser gleich verlieren sollte oder doch lieber in einem Jahr. DOMINIC JOHNSON

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1 Kommentar

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  • KI
    Karl Ilnyzckyj

    DOMINIC JOHNSON bezeichnet Gordon Brown und Tony Blair als "Linke".

    Hat er schon vergessen, dass beide den Monetarismus von Margeret Thatcher übernommen und zur vollen Blüte gebracht haben?

    Nein, beide gehören zu den Verfechtern des Turbokapitalismus, der im vergangenen Jahr gegen die Wand gerasst ist und jetzt auf Kosten der lohnabhängigen Bevölkerung saniert wird.

    Ich kann nur hoffen, dass es sich hier nicht um eine absichtliche Verdrehung der Realitaet handelt.