Bringt das Begehren zum Sprechen

„Wie weibliche Freiheit entsteht“ - ein Buch das zum Begehren verführt / Italienische Feministinnen wagten die Neuinterpretation der Geschichte der Frauenbewegung / Gleich sind Frauen nur als Opfer - frei werden sie in der Anerkennung ihrer Unterschiede  ■  Von Gisela Wülffing

Zu den Ereignissen des Jahres 1988 zähle ich eine Neuerscheinung beim Berliner Frauenbuchverlag Orlanda, die im Herbst in deutscher Sprache unter dem Titel Wie weibliche Freiheit entsteht - Eine neue politische Praxis erschienen ist. Das Buch ist Ergebnis einer Arbeit von 35 Autorinnen (von Luisa Abba über Angela Loaldi bis Grazia Zerman, darunter auch die deutsche Übersetzerin Traudel Sattler). Ein Kollektiv, das sicher nicht zu allen Zeiten gemeinsame Sache machte, aber die gemeinsame Geschichte feministischer Theorie und Praxis der letzten 20 Jahre gründlich dokumentiert, ohne daß daraus eine einfache Wiedergabe wurde. Es sind Frauen aus dem Mailänder Frauenbuchladen, dem römischen Frauenkulturzentrum „Virginia Woolf“ und aus der Gründungsgruppe der Kooperative „Transizione“ in Neapel.

Das Buch enthät die Geschichte des italienischen Feminismus, deren Höhepunkte, Grenzen und Niederlagen sich auf den ersten Blick mühelos auf hiesige Erfahrungen übertragen lassen. Denn die Parallelität der Erkenntnisse sowie der Praxis der Frauenbewegung ist nicht überraschend angesichts der einfachen und doch folgenschweren Entdeckung jeder einzelnen Frau, daß sie in einem Patriarchat lebt.

Trotzdem sorgt der Text, in vier Kapitel unterteilt, für Verblüffung über bekannte Sachverhalte, die wir durch die Lektüre neu bedenken können - wenn uns daran gelegen ist, über die Unterschiede zwischen Frauen zu diskutieren und auf „Eine neue politische Praxis“ auch neugierig sind. Denn die Autorinnen konfrontieren uns mit Fragestellungen, die hierzulande noch für einige Provokationen sorgen werden. Theorie der Differenz

Schon früh, für deutsche Verhältnisse sehr früh, verunsicherten uns die feministischen Philosophinnen mit ihrer Beschreibung des Mangels an weiblicher Symbolik und Öffentlichkeit. Während einer Urlaubsvertretung Anfang der 80er Jahre in der Frauenredaktion der taz fand sich nämlich im Manuskriptkorb einer dieser Texte, der mir allein durch seine Sprache verheißungsvoll erschien in seinem Versprechen auf Veränderung der Welt, wenn wir, die Frauen, bereit wären, uns stärker auf folgende Überlegungen einzulassen.

Es führe kein Weg daran vorbei, sich mit der sexuellen Differenz zwischen Frauen Männern auseinanderzusetzen, egal in welcher sozialen Gruppe man gerade kämpfe oder sich artikuliere. Der Zustand des Unwohlseins und der immer wieder auftretenden Fremdheit in den öffentlichen Räumen könne als „Schachsituation“ nur dann überwunden werden, wenn wir eine Form finden, in der der Wert des Frau-Seins sich ausdrücken kann. Damals löste der dokumentierte Text in der taz, dem wir den Titel Lust zu siegen gaben, eine Vielzahl von Diskussionen aus und dieser aufgenommene Faden aus Italien findet nun seine notwendige Fortsetzung in dem Buch Wie weibliche Freiheit entsteht - Eine neue politische Praxis.

Das letzte Kapitel, das in die Gegenwart führt, provoziert die Frage, ob Frauen sich mit armseligen Überlebensstrategien in Form von gerechteren Gesetzestexten begnügen wollen oder ob sie mit ihren Geschlechtsgenossinnen gesellschaftliche Spielregeln entwickeln, in der Raum für weibliche Freiheit vorhanden ist. Vermögen doch nur soziale weibliche Lebenszusammenhänge einer Frau Stabilität zu verschaffen, durch die der „weibliche Geist“ einen Ort findet, in dem er zu Hause ist. Erst die Anerkennung der eigenen Existenz „im Austausch gegen die Anerkennung der gemeinsamen Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht“ vermag diese Basis zu schaffen.

Dieses Vorgehen scheint notwendig. Notwendig deshalb, weil es uns noch nicht gelungen ist, eine Kontinuität weiblicher Geschichtsschreibung zu kreieren, auf die sich auch nachfolgende Frauengenerationen berufen können, damit nicht jede für sich immer wieder mit dem Mangel des Frau-Seins erwachsen werden muß. So als gäbe es nichts zu „vererben“ an weiblicher Zivilisation sondern nur an weiblichen Defiziten. Ablehnung des „Massenfeminismus“

Die Autorinnen bündeln deshalb vielfältige Erfahrungen aus der Phase der Selbsterfahrungsgruppen, mit den Erfahrungen in den Frauenprojekten und die ihrer politischen Aktivitäten im „Massenfeminismus“ (wie sie sagen), denen jeweils immer etwas fehlte.

Der Versuch, über Kampagnen die Frauenbewegung (wieder) zu vereinheitlichen wird abgelehnt. Am Beispiel der Abtreibungskampagne und dem Gesetzentwurf gegen Vergewaltigungen in Italien wenden sie sich gegen den Glauben, daß durch Gesetze die Frau eine Freiheit ihrer Wahl erlangen kann. Im Gegenteil: „Die Massenabtreibung in den Kliniken (stellt) keinen Zuwachs an Zivilisation dar, denn sie ist eine gewaltsame, zerstörerische Antwort auf das Problem der Schwangerschaft, und außerdem wird dadurch dem Körper der Frau noch eine zusätzliche Schuld aufgebürdet.“

Ich weiß, daß folgende Passage nicht gerne zur Kenntnis genommen wird von denjenigen, die von Massendemonstrationen träumen, weil dies als Machtausdruck verstanden wird, hier aber kritisiert wird: „Auf die Mobilisierung nach traditionellem Muster - für ein Einheitsziel, daß von möglichst vielen Leuten unterstützt werden sollte - folgten Demonstrationen, bei denen die Männer gemeinsam mit den Frauen marschierten. Was für einen Sinn haben diese Demonstrationen, fragen sich die Frauen von via Cherubini, bei denen die Männer, anstatt ihr sexuelles Verhalten in Frage zu stellen, für die freie Abtreibung demonstrieren, die an einem Körper vorgenommen wird, der nicht ihrer ist?“ Sowohl in der Frage der Abtreibung oder einem Gesetz gegen sexuelle Gewalt komme eine Frauenpolitik zum Ausdruck, die immer nur im Rahmen männlicher Logik und männlicher Maßstäbe erreicht werden könne. Sie sagen, daß kein Gesetz der Frau und ihrer Sexualität einen Wert zuschreiben kann, der von der Gesellschaft noch nicht anerkannt ist. Gesetzliche Regelungen - so die scharfe Absage - machten Frauen alle gleich. Und zwar „auf der Ebene des größten Elends“! Auch wenn Institutionen und Gesetze sich als neutral darstellen, sind sie es keinesfalls. „Selbst wenn sie das männliche Geschlecht nicht direkt begünstigen, schaden sie dem weiblichen, denn dieses bekommt (erst) dadurch Wert, daß die sexuelle Differenz sichtbar wird und zum Ausdruck kommt.“ Eine Position, an der frau in der Tat lange zu knabbern hat.

Wie kommt es, fragen die Autorinnen, daß das Bedürfnis nach einem Zusammenschluß unter Frauen trotz all dieser Anstrengungen immer noch keinen adäquaten Ausdruck gefunden hat? „Den Mangel an Zivilisation erkennt man, besser gesagt, wir erkennen ihn, wenn eine Frau mit einer anderen in Konflikt gerät und mit Emotionen umgehen muß, die sie nicht in sozialer Form zu regeln gelernt hat, weil es ihr nirgendwo und von niemandem beigebracht wurde. Ein Urzustand also, im wahrsten Sinne des Wortes, der daher rührt, daß die Beziehung einer Frau zu einer anderen Frau nicht zu den kollektiv gewollten und entworfenen Beziehungsformen gehört.“

Die Erfahrung in der Frauenpolitik hat gezeigt, daß es nicht damit getan ist, die sexuelle Differenz aufzudecken, weil es sonst ja ein leichtes wäre, den versunkenen Reichtum an die Oberfläche zu bringen. Das Buch macht deutlich, daß wir die sexuelle Differenz erst herstellen müssen, um politische Konflikte untereinander austragen zu können. Anschaulich wird beschrieben, wie auf großen Versammlungen in Frauenzentren die hohen Erwartungen auf etwas Unbestimmtes mit dem Verharren in Passivität kontrastiert. Diese Haltung ist kein Widerspruch, wie die damaligen Texte in der Zeitschrift 'Sottosopra‘ zeigen. „Das Kollektiv war also, wenn wir recht verstanden haben, nicht der Ort einer möglichen autonomen Existenz, sondern das leere Symbol dieser Existenz. So läßt sich der Widerspruch erklären, daß die kollektiven Orte als so wichtig galten, daß die Frauen aber die aktive Potenz ihres Begehrens dort nicht investieren wollten oder konnten.“ Es wurde offenbar, daß das weibliche Symbolische keine Autonomie besitzt, obwohl und das können wir auch bestätigen - das Symbolische in der Frauenbewegung immer eine große Rolle gespielt hat. „Aber keine kam auf die Idee, das zum Inhalt der politischen Arbeit zu machen“. Was uns fehlt, ist das Begehren nach Repräsentanz weiblicher Freiheit und hier liegt der entscheidende Wert des Buches, denn die Italienerinnen animieren, diesem Begehren Ausdruck zu verleihen.

Für ihre Analyse haben sie eine berückende Sprache gefunden, die einerseits „streng“ im wissenschaftlichen Sinn ist, gleichzeitig aber mit politischen Kategorien arbeitet, die für die deutschen Augen und Ohren phantasievoll klingen und nicht eindimensional sind. Manchen ist die Sprache zu pathetisch, ich glaube aber eher, daß es die selbstbewußte Form ist, die ein „pathetisches“ Wollen vermittelt und uns in ihrer Eleganz fremd ist. Für diejenigen, die sich auf den klassischen Politikfeldern bewegen oder in die Sphären männlicher Domänen rauswagen oder wo auch immer ihren Lebensunterhalt verdienen, ist es notwendig sich irritieren zu lassen durch neue Gedankenkombinationen. Wie weibliche Freiheit entsteht ermöglicht ein freizügiges Assoziieren beim Herausfinden des eigenen Standpunktes. Eine Übersetzerin ohne eigenes leidenschaftliches Erkenntnisinteresse wäre hier wohl kaum denkbar gewesen, ein Engagement, das sich auch an einem zentralen Begriff in dem Buch erweist, den die Italienerinnen benutzen und für den es im deutschen wohl keine Entsprechung gibt. Ohne höhere Weihen

Die Italienerinnen sprechen von der „Praxis des affidamento“, die als notwendiges politisches Projekt unter den Frauen verstanden werden müsse, um aus der gegenseitigen Blockade der solidarischen Betroffenheit als Opfer als einzige Form des Zusammenschlusses herauszufinden. Statt dessen sei eine Theorie und Praxis der Unterschiede zwischen den Frauen zu entwickeln. Gemeint ist eine „Praxis des sich gegenseitigen Anvertrauens“, in der das Bedürfnis nach symbolischer Nahrung über die Begegnung der Selbsterfahrung mit schönem Essen, schönen Gefühlen und Parties hinausgeht. In der Praxis des „affidamento“ sehen die italienischen Feministinnen den einzigen Weg, eine Vorstellung vom freien weiblichen Denken zu entwickeln. Nichts klingt plausibler, als die Behauptung, daß nur eine (andere) Frau die Quelle unseres Wertes als Mensch sein kann. Sie sagen: nur wenn es uns gelingt, die Gleichheits-Idee aufzugeben (die immer nur heißen kann Gleichheit der Frauen mit den Männern) und dagegen gesellschaftlich sichtbare Formen einer symbolischen Ordnung aufzubauen, die auf der ursprünglichen Beziehung zwischen Tochter und Mutter basiert, wird „das weibliche Mehr in der Gesellschaft zirkulieren können“ (und nicht länger als unsichtbare Kommunikation in der Küche oder anderen geheimen Orten existieren).

Was mir unmittelbar einleuchtete, war die Absage an die von Frauen immer wieder so gern eingenommene Rolle, in der sie ehrenamtlich oder qua Charakter die moralisch besseren Menschen sind und sich mit Inbrunst dem Allgemeinwohl hingeben. Wissen wir nicht längst, daß sich dieses Gut-Sein -Wollen - sei es in frommen Organisationen oder in linken Kadergruppen - immer wieder als schwaches ideologisches Symbol für uns erwiesen hat? Und letztlich im Interesse der Frauen politisch unwirksam war? Es ist eine Erleichterung, die Aufforderung nachlesen zu können, „daß wir die Kostüme der Tugend“ nicht (mehr) brauchen. Denn das weibliche Mehr braucht nicht die höheren Weihen der Gerechtigkeit, um sich als vorhanden zu beweisen.

Das Autorinnen-Kollektiv befindet zwar kurz und bündig, daß die Politik der Frauen schließlich nicht zum Ziel habe, die Gesellschaft zu verbessern, sondern die Frauen zu befreien und ihnen freie Entscheidungen zu ermöglichen. Auf dem Diskussionsprozeß, der dieser Meinung allerdings vorausgeht, gehen die Frauen sehr gründlich ein. Hier liegt der Sprengsatz für unsere Streits, und ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer es ist, von dem helfenwollenden weiblichen Sozialcharakter Abschied zu nehmen.

„Gegen die Vorstellung, daß ein weibliches Mehr in den Beziehungen unter Frauen anerkannt werden muß, damit es in der Gesellschaft sichtbar wird und zirkulieren kann, wandten manche ein, dieses Mehr drücke keine positiven Werte aus und könne demzufolge auch keiner Sache einen Wert verleihen weder der Politik noch der weiblichen Differenz. (...) Auf diesen Einwand gibt es eine einfache Antwort: (...) Das Frausein kann dem Mannsein weder untergeordnet noch angeglichen werden. Und deshalb kann es nicht durch irgendwelche Werte ausgedrückt werden, denn sein einziger wesentlicher Wert ist „das Weibliche“, eine Perspektive des Menschseins, die mit all dem, was eine Frau ist, und wird, weiter und reicher wird.“ Die symbolische Mutterfigur

Das Bedürfnis nach einer symbolischen Potenz zeigt sich bis heute in den Frauengruppen. Die symbolische Mutter ist da, jede Frau nimmt diese Potenz als Teilhaberin der mütterlichen Macht für sich in Anspruch - aber unausgesprochen und unspezifisch. In den Frauengruppen haben wir die Erfahrung gemacht, daß dies ein sogenantes weibliches Mehr ist, das als Maßstab ohne Maß empfunden wird. Innerhalb der Gruppen sollen alle gleich (stark) sein, aber außerhalb des Frauenkreises besitzt das Maß keine Gültigkeit für den allgemeinen gesellschaftlichen Maßstab. Die Fremdheit der „Außenwelt“ nach einem Frauentreffen werden viele bestätigen können und deswegen besitzt die symbolische Mutter keinen Wert, wenn sie darauf reduziert wird „Hüterin der weiblichen Differenz zu sein, die außerhalb der Gruppe ohne Vermittlung und daher stumm und wirkungslos blieb“. Ohne diese mütterliche Potenz, so sagen die Autorinnen, stellt sich nicht die symbolische Vermittlung dar, die „das Zeichen des Geschlechts trägt das, was den Frauen eine Beziehung zur Welt ermöglicht. In der Erfahrung der Frauen, die andernfalls in eine unsagbare Innerlichkeit und ein fremdes Außen gespalten ist, schafft sie einen lebendigen Kreislauf zwischen dem Selbst und dem Anderen. Die mütterliche Potenz ist also nichts, wovor sich die Frau schützen muß - ganz im Gegenteil.“ Diese beim ersten Nachdenken so befremdliche Potenz, die uns als Stärke verdeutlicht wird, könnte also die Form bilden, in der die symbolische Verbindung zwischen Frauen entstehen kann. Die Praxis des „affidamento“

Es geht nicht ohne das „affidamento“, etwas, das dem Frausein Ausdruck in der Welt verleihen soll. Und wie soll nun diese Beziehung funktionieren? Ausgerechnet zwischen zwei Frauen, deren jeweilige Rolle in aller Regel alles andere als befruchtend für die andere ist? Es ist ein Beziehungsmodell, sagen die Italienerinnen, das auf der Autorität einer Frau über eine andere basiert.

Eine Autorität, die erst in der freiwilligen Anerkennung des Unterschiedes zwischen Frauen eine positive Spiegelung eröffnet, um so einen Maßstab für einen Wert zu erhalten. Die neue politische Praxis müsse darin liegen, sowohl illusionslos zu sehen, daß ihr Geschlecht in der Gesellschaft nichts wert ist und sich gleichermaßen daran zu erinnern, was jede „in ihrer vormaligen Naivität wußte: um groß zu werden - in jeglichem Sinne -, braucht sie eine Frau, die größer ist als sie“.

Nur so könnten wir uns befreien vom Zustand des Tauschobjekts und dadurch zu Tauschenden unter Frauen werden. Wobei jede Frau ja etwas Verschiedenes zu tauschen habe. Es fällt mir zwar selber schwer darzutun, wie an allen gesellschaftlichen Orten die Beziehung des affidamento gelebt werden soll - auf der Basis der Anerkennung von verschiedener Autorität und Überlegenheit. Andererseits stehen Frauen in dieser Hinsicht auch nicht vor einem Nichts, es gibt den Austausch qualitativer Substanz weiblicher Erfahrung, und eigentlich wissen wir, daß die Anerkennung für den schon empfangenen Reichtum vieler Frauen nicht auf Herrschaft oder Unterstützung von Macht mit hierarchischen Formen beruht. Sich ernstnehmen

Für ihr Buch lasse ich den italienischen Feministinnen eine bedingungslose Anerkennung zukommen, obwohl die Lektüre gerade davor warnt. Sie sagen, daß das Bedürfnis nach Bestätigung bei Frauen stärker ist als das Begehren, „und so wagen sie es nicht, sich mit ihrem Begehren dem Urteil anderer auszusetzen, denn sie haben das dunkle Gefühl, daß es jenseits der bedingungslosen Anerkennung nur Vernichtung und Tod gibt“.

Keineswegs bietet sich Wie weibliche Freiheit entsteht als Bibel oder schnelle Gebrauchsanweisung an; es war ein risikoreiches Unterfangen, es zu schreiben, und bleibt es für diejenigen, die sich auf die Argumente einlassen. Ihr Denken und ihre Analyse zwingen zur Konzentration auf den Text - und auf sich selbst. Du mußt dich als Frau ernst nehmen, um zu verstehen - wenn du Lust hast auf Verstehen.

Der Titel im Italienischen heißt Glaube nicht, Du hättest Rechte, und ich frage mich, ob man den deutschen Feministinnen dieses nicht zumuten wollte und vorsichtshalber den Buchtitel gab Wie weibliche Freiheit entsteht. Sind wir auf positive Versprechen eher angewiesen? Etwas Skepsis kann doch nicht schaden - ohne daß die weiblichen Energien für das affidamento beim Anblick der Lektüre gleich versiegt. Denn „es beginnt mit einer Beziehung zwischen zweien, aber es ist keine Zweierbeziehung, wir sehen, daß sie sich bald verzweigt; andere Beziehungen entstehen, angeregt durch die neue Möglichkeit, die Ganzheit des eigenen Menschseins, den weiblichen Körper und weiblichen Geist, ins Spiel zu bringen“.

Libreria delle donne di Milano, Wie weibliche Freiheit entsteht, Orlanda Frauenverlag, Berlin 1988, 29 Mark 80