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BriefzustellerStreit über Post-Mindestlöhne

Neue Dienstanbieter wehren sich gegen den zuletzt vereinbarten Tarifvertrag. Der Arbeitgeberverband Postdienste vertrete nur Interessen der Deutschen Post AG.

Postbote fährt in Düsseldorf Briefe aus Bild: dpa

KÖLN taz Können alle Briefzusteller künftig mit einem Mindeststundenlohn rechnen - egal wo sie beschäftigt sind? Das soll Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) in dieser Woche entscheiden. Er hat signalisiert, dass er für den branchenweiten Mindestlohn ist und die neue Regelung bereits am 1. Januar 2008 in Kraft haben will. Nun allerdings versuchen Konkurrenten der Deutschen Post AG, die Allgemeinverbindlichkeitserklärung noch zu stoppen.

In Rekordzeit hatte sich der erst kürzlich gegründete Arbeitgeberverband Postdienste (AGV) letzten Dienstag mit der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di auf einen Mindestlohntarifvertrag geeinigt. Danach haben Briefzusteller und Briefsortierer ab 1. Oktober bei einem Postdienstleister in Ostdeutschland zunächst einen Anspruch auf mindestens 8 Euro in der Stunde, im Westen auf 8,40 Euro. Für Briefzusteller gilt ein Mindestlohn von 9 Euro beziehungsweise 9,80 Euro. Am 1. Januar 2010 werden die Unterschiede zwischen Ost und West aufgehoben.

Zunächst gilt der Vertrag nur für die 20 AGV-Mitgliedsfirmen - vorwiegend die Deutsche Post AG und ihre Tochterunternehmen. Damit er für allgemein gültig erklärt werden kann, müssen die Tarifpartner mindestens die Hälfte der rund 200.000 in der Branche Beschäftigten repräsentieren. Nach Gewerkschaftsangaben kommt der AGV auf 80 Prozent. Ver.di-Vorstandsmitglied Andrea Kocsis bezeichnete den Abschluss als "wichtigen Schritt auf dem Weg zu fairen und sozialen Arbeitsbedingungen".

Die Konkurrenten der Deutschen Post AG sehen den Tarifvertrag dagegen als Konkurrenzabwehrvertrag: Über ihren Haustarif zahlt die Deutsche Post ihren Mitarbeitern schon mehr als den nun vereinbarten Mindestlohn. Teurer würde es nur für die neuen Anbieter, die zum Teil 30 bis 50 Prozent darunter liegen. Und das ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, an dem das letzte Briefmonopol fällt: Ab 1. Januar 2008 ist auch der Markt für Standardbriefe bis 50 Gramm offen.

Politisch können die neuen Anbieter auf Unterstützung aus dem Bundeswirtschaftsministerium hoffen. Der Spiegel berichtet von einem internen Vermerk aus der Behörde, in dem es heißt, eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung würde den Wettbewerb unterlaufen, "noch bevor er begonnen hat".

Die Postdienstleister bezweifeln, dass eine Allgemeingültigkeitserklärung rechtmäßig wäre. Der Bundesverband der Kurier-Express-Post-Dienste protestiert, "als Arbeitgeberverband nicht beteiligt worden" zu sein. Der Vertrag könne also "nicht beanspruchen, ein Branchenvertrag zu sein". Der Bundesverband Internationaler Express- und Kurierdienste sagte, ihm seien Informationen über einen Beitritt zum AGV verweigert worden. Wettbewerber seien so von den Gesprächen "bewusst ausgeschlossen" worden.

Auch die Post-Hauptkonkurrenten, die niederländische TNT Post und die von deutschen Verlagen getragene Springer-Tochter Pin Group, verkündeten, der Tarifvertrag halte "weder verfassungsrechtlichen, kartellrechtlichen noch tarifrechtlichen Bedenken stand". Man werde sich "in geeigneter Weise dagegen wehren, dass der vom Gesetzgeber gewollte Wettbewerb dadurch unterbunden wird, dass die Deutsche Post AG den neuen privaten Postdienstleistern die Löhne diktiert".

Schon kurz vor Vertragsabschluss hatten sie die "Interessengemeinschaft Neue Briefdienstleister" gegründet. Diese soll jetzt noch in dieser Woche offiziell Mitglied in der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände und damit Tarifpartei werden. Eigene Tarifverhandlungen mit PIN und TNT hatte Ver.di abgelehnt.

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