Briefe an den Präsidenten (2) : Wie schon John Lennon sang: You may say I‘m a dreamer, but I‘m not the only one . . .
Am 2.11. ist Präsidentschaftswahl in den USA. Bush oder Kerry? Für viele US-amerikanische Künstler ist diese Frage zur Schicksalsfrage geworden. Das Junge Theater wird vom 27.10. bis zum 3.11. unter dem Titel „mad(e) in Amerika“ in der Schwankhalle amerikanische und deutsche Künstler präsentieren, die sich mit Politik und Kultur in den USA beschäftigen. Vorab haben das Junge Theater und die taz Menschen aus Kultur und Wirtschaft gebeten, an den amtierenden, zukünftigen oder idealen US-Präsidenten einen Brief zu schreiben. Heute: Gayle Tufts, in den USA geborene Entertainerin, lebt seit 14 Jahren in Berlin.
Dear President Kerry,
Congratulations! Sie haben es geschafft! Es ist fast unglaublich, aber wahr. Ich fühle mich ein bisschen wie Judy Garland in „The Wizard of Oz“, als sie nach einem endlosen schwarz-weißen Alptraum in einem ganz neuen Land aufwacht, in dem alles bunt, fröhlich und fabulous ist. Der Alptraum George W. Bush ist endgültig vorbei und jetzt können wir wieder träumen!
Und was für ein traumhaftes Kabinett sie zusammengestellt haben! Nicht nur unser bildhübscher Vice-President Edwards, sondern auch Michael Moore als Secretary of State und Oprah Winfrey statt Condoleezza Rice. Ich bin wieder stolz, Amerikanerin zu sein.
Danke, dass sie unser Militär aus dem Irak geholt haben. Danke auch, dass Sie das Kyoto-Protokoll endlich unterschrieben haben. Ich freue mich über ihre Entscheidung für die völlige Freigabe von AIDS-Medikamenten und den Schuldenerlass für Afrika. Ich wünsche Ihnen viel Kraft für Ihre Friedensinitiative „Peace Begins At Home“ und bin so froh, dass Sie Nelson Mandela als internationalen Konfliktberater gewinnen konnten.
Seine erste Empfehlung, Schusswaffen in ihrem eigenen Land einzusammeln und only a few zugänglich zu machen, haben Sie ja bereits umgesetzt. Bravo!
Ich bewundere es, dass sie die 45 Millionen Amerikaner ohne Krankenversicherung versichert haben. Es ist auch fantastisch, dass sie endlich wieder Sport- und Kultur-Programme in den Schulen einführen, Fast Food aller Arten verbieten, Theater, Bibliotheken und Museen subventionieren wollen und Spazierengehen als Freizeitsbeschäftigung wieder legalisieren. Machen Sie weiter so!
Das neue Schulfach „Ganze Sätze sprechen“ stößt bei meinen Nichten übrigens auf große Begeisterung. Die sagen: „It‘s, like, totally awesome.“
Ich weiß, that the Big Boys in der Auto- und Ölindustrie jammern, weil Sie in drei Jahren das niedliche Ein-Liter-Auto einführen werden. Doch waren diese Riesentrucks, die aussahen wie Panzer auf Anabolika, wirklich nicht mehr zu ertragen.
Mr. President, manchmal habe ich Angst, dass ich das doch alles nur geträumt habe. Und dass wir weiter in George Bushs Amerika leben müssen – einem Land voller Angst, Unrecht, Gewalt und Krieg. Aber ich weiß, dass Millionen von Amerikanern auch diesen Traum haben. You may say I‘m a dreamer, but I‘m not the only one. Love and peace aus Ihrer Ex-Wahlheimat,
Gayle Tufts
P.S. Brauchen Sie noch eine Botschafterin for Germany?