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Bremer Prominente verkohlt

■ Die Bürgerschaft stellt ihre Ahnen aus

Da ist zunächst die Ahnengalerie der Bürgermeister: Wilhelm Kaisen natürlich, den finsteren Blick wohltuend auf 21 mal 29,5 verkleinert. Willy Dehnkamp, Hans Koschnick, Klaus Wedemeier, in jungen Jahren, ein schmachtender James Dean: Denn er weiß nicht, was er tut. Im Format und in der Technik gleichen sich alle 41 Portraits: Kohle auf Papier.

Lieselotte Schütte-Bellstedt, 83, schwer hanseatische Vergangenheit, hat ihre Bremer Zeichenopfer im wahrsten Sinne des Wortes verkohlt. Kaum einer ist darunter, dem nicht eine Straße, ein Haus oder sonst ein Bremer Heiligtum gewidmet ist: Theodor Spitta, Ottilie Hoffmann, Heinrich Vogeler, Paula Becker-Modersohn. Der Ausstellungsort ist entsprechend: Die Bremer Bürgerschaft.

Vergangenheit und Gegenwart hängen hier vertraut und friedlich nebeneinander. Uni-Rektor Jürgen Timm (Schalk auf Nacken, 21 mal 29,5) neben August Kippenberg (Schulmeistermiene auf Vatermörder), Ottilie Hoffmann (Haarknoten unter Schmetterlingshut) scheint sich angeregt mit Agnes Heineken (Frauenbildung auf Männerschulen) zu unterhalten. Karl Carstens (Glatze mit Scheitel überzogen) neben Franz und Carl Schütte, Begründer der Deutsch-Amerikanischen Petro-Gesellschaft (ölschwere Kunst-Obermäzene).

Im Mittelpunkt der ersten 13 Portraits thront Bürgerschaftspräsident Dieter Klink, dessen Passepartout dezent mit einem kleinen Goldfaden geschmückt ist. Den Original-Klink (nur echt mit der Goldkante) erkennt der unvoreingenommene Besucher leicht an der kleinen Tafel rechts unterhalb des Portraits, auf der der Name des Präsidenten steht: Schreibmaschine auf Pappkarton, sechs mal fünf.

Interessant sind auch die biographischen Höhepunkte der Dargestellten, die die kleinen Tafeln den Besuchern vermitteln. Über Heinrich Vogeler heißt es zum Beispiel lapidar: „Er ist in Rußland gestorben.“ Kein Wunder, daß Vogeler einen sehr skeptischen Blick auf den Teppich der Bürgerschaftskantine wirft. mad

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