Bremer NPD-Wahlkampf: Der Helfer aus Sachsen
Der Leiter des NPD-Wahlkampfs in Bremen ist Mitarbeiter der sächsischen NPD-Fraktion. Das könnte problematisch sein - die Verquickung von Fraktions- und Parteienfinanzierung ist verboten.
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HAMBURG taz | Mit aller Macht will die NPD den Einzug in die Bremer Bürgerschaft schaffen. Nichts möchte der Wahlkampfleiter Jens Pühse dem Zufall überlassen. Im Internet veröffentlicht die Partei Kommentare zur Landespolitik und Aufrufe zum Besuch von Anti-Rechts-Veranstaltungen. Ein Bürgerbüro wurde im Januar eröffnet, zum 1. Mai wird ein Großevent geplant.
Es wäre der erste Einzug der NPD in ein westdeutsches Landesparlament seit über 30 Jahren - in Bremen ist er durch die Fusion der NPD mit der DVU in greifbare Nähe gerückt, die bereits viermal Abgeordnete aus Bremerhaven in die Bremische Bürgerschaft schickte.
Allerdings könnte es sein, dass Wahlkampfleiter Pühse selbst den Wahlkampf gefährdet. Pühse sitzt im Bundesvorstand der Partei und ist als "Bundesorganisationsleiter" für "nationaldemokratische Großveranstaltungen" zuständig. Zum Problem könnte werden, dass Pühse auch bei der NPD-Landtagsfraktion in Sachsen angestellt ist - als "Mitarbeiter Öffentlichkeitsarbeit". Das geht aus seinem E-Mail-Verkehr hervor, der den Medien unter 62.000 NPD-Mails zugespielt wurde. "Diese Verquickung von Fraktions- und Parteiarbeit ist nicht zulässig", sagt die sächsische Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz (Die Linke).
Bis heute sei Pühse Mitarbeiter der Fraktion, sagt Köditz. Und er ist offenbar nicht der einzige Wahlkampfhelfer: Wenn Wahlen im Bundesgebiet anstünden, sei die "große Abwesenheit von NPD-Fraktionsmitarbeitern" auffällig. Viele Anträge würde die NPD-Fraktion dann auch nicht mehr stellen. "Ganz offensichtlich missbraucht die NPD Fraktionsmittel für rechtlich nicht erlaubte Wahlkampfunterstützungen - von Personal bis Infrastruktur", sagt Köditz.
"Fraktionen dürfen keinen Wahlkampf für Parteien machen", sagt Miro Jennerjahn, Rechtsextremismus-Experte der sächsischen Grünen-Fraktion. Wenn Arbeitszeit hierfür genützt würde, wäre das nicht rechtens. Auch Rechtsexperten der Bremer Bürgerschaft sind skeptisch, ob Pühses Engagement legal ist. Fraktions- und Parteiarbeit müssten getrennt werden, sagt eine Mitarbeiterin, die nicht namentlich zitiert werden will, "weil die Sache in Sachsen liegt". Der sächsische Rechnungshof überprüft derzeit auf Anfrage der taz, ob eine "unzulässige Verwendung von öffentlichen Mitteln" vorliegt.
Müsste die NPD Wahlkampfleiter Pühse aus Bremen abziehen, wäre das schlecht für die Erfolgsaussichten bei der Wahl am 22. Mai: Erst mit Pühses Auftauchen an der Weser ist Schwung in den dortigen NPD-Wahlkampf gekommen, bei dem außer Pühse auch andere Kräfte von außen mithelfen. Wie aus einer Mail vom 29. November 2010 hervorgeht, plant Pühse etwa die Wahlkampfzeitung mit einem "Ronny" von der NPD-Brandenburg. Ronny sollte die Daten aus Bremen zur wirtschaftliche Lage einfügen, den Anteil von Ausländern, die Sozialhilfe empfangen überprüfen und anderes mehr - so steht es in der Mail.
Der Bremer Landesverband, der unter seinem Vorsitzenden Horst Görmann bisher nur wenig aktiv war, ist auch jetzt kaum am Wahlkampf beteiligt. Viel scheint die NPD-Führung von den etwa 50 Bremer Parteimitgliedern nicht zu halten: Bei dem für den 1. Mai geplanten "Sozialkongress" sind acht Redner angekündigt, darunter der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt. Der Bremer Landeschef fehlt. "Es reden doch genug, und der Vorsitzende kommt, da muss ich nicht", sagt Görmann der taz. "Natürlich" sei er im Wahlkampf aktiv, schließlich trete er in Bremerhaven auf Platz 2 an.
Ob der Kandidat auf Platz 1, der DVU-Bundeschef Matthias Faust, überhaupt kandidieren darf, ist allerdings auch noch nicht geklärt. Noch hat der Bundeswahlleiter die Fusion der beiden Parteien nämlich nicht anerkannt - der DVU-Politiker tritt offiziell auf der NPD-Liste an. "In Bremen ist die Kandidatur für eine Partei nicht zulässig, wenn eine Mitgliedschaft in einer anderen Partei besteht", sagte ein Sprecher des Bremer Landeswahlleiters der taz.
Landeschef Görmann gibt sich optimistisch: "Nach der Rechtsauffassung unser Rechtsanwälte ist alles geregelt." Wahlkampfleiter Pühse hatte der taz gesagt, falls die Fusion bis zur Wahl nicht zustande komme, müsse der DVU-Vorsitzende Faust eben aus der DVU austreten.
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