Bremen in Kino: Das winzige Kapitel
Rainer Werner Fassbinder war irgendwann da und sogar Jean-Paul Belmondo – aber warum ist Bremen bloß so selten auf der Leinwand zu sehen? Ein Streifzug durch 90 Jahre Kinogeschichte.
Einer der Reize des Kinos besteht darin, dass sich das Heimatliche dort aus einer anderen Perspektive erfahren lässt. Während Menschen in Hamburg – ähnlich wie in Berlin oder München – regelmäßig ihre Stadt als Spielort sehen können, machen Bremer diese Erfahrung eher selten.
Denn viel gedreht worden ist in der Freien Hansestadt nicht. In manchen Quellen steht zwar, dass Friedrich Wilhelm Murnaus „Nosferatu“ (1922) zum Teil in Bremen spiele. Aufgenommen wurden die Hafenszenen mit den Ratten und der Pest aber in Lübeck und Wismar – und Bremen taucht nur auf den englischen Zwischentiteln auf, weil man annahm, das erfundene „Wisborg“ würde ein internationales Publikum verwirren.
Zugemauertes Rathaus
1940 spielte Hubert Marischkas Nazi-Schnulze „Herzensfreud-Herzensleid“ zum Teil in Bremen. Interessant ist das höchstens, weil darin zu sehen ist, wie der Roland und die Säulen des Rathauses wegen der Bombenangriffe zugemauert waren – und weil die Hanseaten sich steif gebärdende Karikaturen sind, die ständig über den „sspitzen Sstein“ stolpern.
1949 drehte Howard Hawks mit Cary Grant ein paar Szenen für die Komödie „I Was a Male War Bride“ – „Ich war eine männliche Kriegsbraut“ – in Bremerhaven, im Film sieht man davon aber nur ein paar Schiffswände und Holzbaracken im Hafen.
1964 standen dann zwei wirkliche Weltstars in Bremen vor der Kamera. In dem französischen Abenteuerfilm „Echappement Libre“ – deutscher Verleihtitel: „Der Boss hat sich was ausgedacht“ – spielten Jean Seberg, Jean-Paul Belmondo und Gert Fröbe im Bremer Hafen, den Parkanlagen am Wall und auf dem Marktplatz. Fünf Jahre nach Jean-Luc Godards „Außer Atem“ brachte Regisseur Jean Becker das Paar Seberg/Belmondo noch ein zweites und letztes Mal auf die Leinwand.
Die wüste Räubergeschichte dreht sich um geschmuggeltes Gold, das durch ganz Europa gefahren wird. Für den Showdown am nördlichen Ende bot sich Bremen mit seinem Hafen an – Hamburg wäre teurer gewesen. Meist gelang es Becker, Jean Seberg wirklich schön aussehen zu lassen, auch wenn sie mit längerem Haar, tiefem Dekolleté und glamourösem Gehabe eher an Kim Novak als an ihre Herald Tribune-Verkäuferin in „A bout de souffle“ von 1959 erinnert.
Bei einem Spaziergang mit Gert Fröbe – der die gleichen Attitüden zeigt wie in dem im selben Jahr gedrehten „Goldfinger“ – in den offensichtlich eisigen Wallanlagen wirkt sie in ihrem dünnen Sommermäntelchen aber sehr verfroren. Rührend unbeholfen wirken die Action-Szenen, bei denen im Überseehafen das Gold von einem Kran fällt. Der Höhepunkt für lokalpatriotische Cineasten ist jener Dialog in einer Kneipe mit Blick auf den Roland, in dem Belmondo sagt: „Dann bin ich wenigstens mal in Bremen gewesen!“
1968 drehte Peter Zadek dann den Film, der inzwischen fast gänzlich zur Bremensie transformiert wurde. Als „Ich bin ein Elefant, Madame“ damals in die Kinos kam, waren die meisten Zuschauer und Kritiker aber gar nicht begeistert – von einem „politischen Regiefehler“ schrieben etwa die Bremer Nachrichten.
Heute wirkt dieser typische 68er Film über die Unruhen an einem Gymnasium so nostalgisch wie die „Beat-Club“-Wiederholungen bei Radio Bremen. Die Frisuren, Kleider und Protestaktionen der Jugendlichen sehen aus der zeitlichen Distanz so harmlos und komisch aus, dass man kaum noch nachvollziehen kann, was daran mal revolutionär gewesen sein soll. Doch eine Sequenz, in der ein Indianertanz vor dem Roland die Bürger ärgert, ist wohl immer noch das schönste Kinobild, das es von der Stadt gibt.
„Kalter Kaffee aus Bremen“
1972 nutzte Rainer Werner Fassbinder sein Engagement am Bremer Theater, um hier das Stück „Bremer Freiheit“ über die Giftmörderin Geesche Gottfried zu schreiben, zu inszenieren – und zu verfilmen. Heraus kam dabei nur eine selten gezeigte Fernsehbearbeitung, für die er ähnlich von der Presse getadelt wurde wie zuvor Zadek: „Kalter Kaffee aus Bremen“ befand Die Welt.
In jüngster Vergangenheit wurde Bremen cineastisch ein wenig besser erschlossen: 2002 drehten Pago Balke und Eike Besuden mit „Verrückt nach Paris“ eine erfolgreiche Komödie über die märchenhafte Reise dreier behinderter Freunde. Fatih Akin war so begeistert vom Bremer Steintorviertel mit dem Rotlichtkiez Helenenstraße, dass er dort 2007 eine Episode von „Auf der anderen Seite“ inszenierte. Und vor ein paar Monaten kam Stefan Schallers „Fünf Jahre Leben“ in die Kinos, der vom Terrorismusverdächtigen Murat Kurnaz und seiner Leidenszeit im Militärgefängnis Guantànamo erzählt. Zwar entstanden sie Sequenzen aus der Jugend des in Bremen aufgewachsenen Kurnaz nicht an den Originalschauplätzen, doch immerhin in dortigen Vierteln und Gebäuden.
Beinahe vollständig in der Stadt inszenierte Vanessa Jopp in diesem Frühjahr ihre Improv-Komödie „Lügen“ – unter anderem zu sehen: eine Hochzeit im Rathaus mit Brautkutsche und großem Spalier auf dem Domshof. So etwas sind die Bremer auf der Leinwand nicht gewohnt!
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