Bremen im Brenner : Daily Milk: What Are You Waiting For?
Ein Album, das zum Grübeln nötigt, und das nicht nur im Titel: Was ist an „What Are You Waiting For?“, dem Debüt-Album der Wahl-Bremer Daily Milk, so überraschend? Warum ist ausgerechnet diese Mischung aus Alternative Rock, schrammeligem Independent-Pop und verspielter Hausmacher-Elektronik so mitreißend?
Bands mit ähnlichem musikalischem Konzept gibt es, gerade im Moment, wie Sand am Meer. Doch was das Trio um Sänger, Gitarrist und Songschreiber Dr. Peanut alias Daniel Kinat da macht, klingt nur beim ersten, flüchtigen Hinhören so, als könne man es getrost unter „ganz gut, aber sattsam bekannt“ wegsortieren.
Es ist Musik, die Aufmerksamkeit braucht und diese auch fordert - mehr oder weniger bedingungslos. Denn wer auch nur ein winziges Faible für klassische Pop-Hooks und catchy Gesangslinien hat, kann sich den zehn Songs spätestens beim zweiten Durchlauf nur noch schwer entziehen. Erst dann werden die Feinheiten hörbar, schälen sich die versteckten Dissonanzen, die die Songs so angenehm unterzuckert halten, aus dem Klangbild heraus.
Erst dann entfalten die leichten Brüchigkeiten in Kinats Stimme ihre traurig-schöne Faszination.
Dank der klaren Produktion kommen diese Details auch dann zur Geltung, wenn die Spät-Adoleszenz-Erfahrungen des 30-jährigen Sozialwissenschaftlers aus dem Harz nach aggressiveren Ausdrucksformen verlangen: Mit „Like Anybody“ und „Sand“ enthält das Album zwei schnelle, wütende Emocore-Songs, die den Vergleich mit etablierten Größen dieses Genres wie Jimmy Eat World oder …Trail Of Dead nicht zu scheuen brauchen.
Abgesehen von diesen Ausbrüchen und den fluffigen Grooves von Songs wie „Mayday“ geben sich Daily Milk eher dem schwelgerisch-schönen Leiden hin: Die Bandbreite der Songs reicht von schwermütigen Balladen bis hin zu mit Synthie-Streichern beladenen Hymnen. Jedoch: So großartig das alles ist, so wenig revolutionär ist es auch. Was macht dieses Album nun so herausragend?
Vielleicht ist es diese jugendliche, enthusiastische Vehemenz, mit der Daily Milk ihrem kreativen Potenzial ohne jeden Selbstzweifel freien Lauf lassen: dieser felsenfeste, blauäugige Glaube an etwas, das man macht. Kein Zweifel: diese Platte wurde schon geliebt, noch bevor ihr erster Akkord angeschlagen war.
till stoppenhagen