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KOMMENTARBrandstiftung

■ Diepgen will Deeskalationsstrategie abschaffen

Kopfschüttelnd haben wir zur Kenntnis genommen, daß der Regierende Bürgermeister von Berlin, Eberhard Diepgen, das polizeiliche Einsatzkonzept »Deeskalation« ausradieren will. Deeskalation heißt nichts anderes als Verhältnismäßigkeit der Mittel und Rechtsstaatlichkeit, oder anders ausgedrückt: Möglichst viel gesellschaftliche Verständigung und möglichst wenig Gewalt. Um zu verstehen, was Diepgen will, braucht man nicht bis in die 60er Jahre zurückzugehen, als die aufbegehrenden Studenten von der Polizei nach der »Leberwursttaktik« zusammengeprügelt wurden. Die 80er Jahre unter den CDU-Innensenatoren Lummer und Kewenig tun es auch: Hausbesetzer und empörte Anwohner, die gegen den Wohnungsleerstand auf die Straße gingen, wurden von Polizeiknüppeln und Wasserwerfern niedergestreckt. Ein junger Mann, der dabei unter einen BVG-Bus geriet, bezahlte mit seinem Leben. Einem anderen wurden von einem Polizeiwagen die Beine zerquetscht. Schüler und Studenten, die gegen den Besuch des US-Präsidenten Reagan demonstrierten, wurden stundenlang in strömendem Regen auf dem Ku-Damm im Polizeikessel festgehalten. In der Aktionswoche gegen die Tagung der Weltbank in Berlin tobten sich Beamte an Demonstranten und Journalisten aus. In den 1. Mai-Krawallnächten bekamen harmlose Kreuzberger Anwohner auf dem Weg zum Zigarrettenautomaten hinterrücks Polizeiknüppel übergezogen. Gewalt produziert Gegengewalt: Brennende Barrikaden, zertrümmerte Schaufenster und verletzte Polizisten, auch das gehört zum Szenario der 80iger Jahre. Für einen Bürgermeister, der die großen sozialen Probleme der zusammenwachsenden Stadt nicht mit Deeskalation, sondern mit dem Polizeiknüppel lösen will, gibt es nur ein Wort: Brandstifter. Die CDU wird mit ihrer Eskalationsstrategie, die als innere Sicherheit verkauft wird, vielleicht die Wahlen gewinnen, — aber die Stadt wird verlieren. Plutonia Plarre

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