■ Brandenburgs Justizminister und die Affäre Ravensbrück: Bräutigam, der Vertuscher
Vertuschung ist das Kunsthandwerk administrativer Politik. Wer das Zeug dazu nicht hat, kann sich dauerhaft auf Ministersesseln oder Pressesprecherposten nicht halten. Vertuschung bedeutet, die falsche Information zum richtigen Zeitpunkt zu lancieren. Auch in umgekehrter Reihenfolge wird dieses Spielchen, das einzig dem Machterhalt dient, praktiziert. Der brandenburgische Justizminister Hans Otto Bräutigam trägt die politische Verantwortung für die in der vergangenen Woche verhängte Nachrichtensperre über den Brandanschlag auf die KZ-Gedenkstätte Ravensbrück.
Es gibt Politiker, die sind verliebt ins Gelingen. Bräutigam ist verliebt ins Vertuschen. Schon im Frühjahr konnte ihm nachgewiesen werden, daß er eine brisante Information – über den damaligen Alterspräsidenten Gustav Just – für sich behalten hatte. Hätte Bräutigam rechtzeitig – und rechtzeitig heißt: unmittelbar, nachdem er informiert worden war – bekanntgegeben, daß Just an der Erschießung von sechs Juden im Zweiten Weltkrieg beteiligt war, dann wäre Just niemals Alterspräsident oder Ausschußvorsitzender geworden. Dieselbe Frage, „Was wäre passiert, wenn...“, muß man sich auch heute stellen. Wäre bereits am vergangenen Mittwoch bekanntgegeben worden, daß Unbekannte zwei Molotow-Cocktails in das frühere Krematorium der Gedenkstätte Ravensbrück geschleudert haben, wäre Manfred Stolpe der Satz, es gäbe kein wirkliches Neonazi-Problem in Deutschland, wohl nicht so fröhlich über die Lippen gekommen. Gesagt hat er dies am Freitag, als er sich von der Queen in Potsdam verabschiedete.
Meister der Vertuschung dürfen wir Bräutigam dann nennen, wenn es ihm gelingt, die Vertuschung der vergangenen Woche zu vertuschen. Genau das ist voll im Gange; und die Parteien der Ampel-Koalition leisten keinen Widerstand. Einziger Trost: Neben dem Spielchen der Vertuschung gibt es noch ein anderes in der Politik. Und das heißt: Die Opposition kontrolliert die Regierung. In Brandenburg scheint es jenseits der politischen Farbenlehre zu funktionieren. Claus Christian Malzahn
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