Brandenburg verbietet Neonazi-Gruppe: Razzia gegen die Maskennazis
In Brandenburg ist ein Neonazi-Gruppe verboten worden, die vor allem mit unangemeldeten Demos aufgefallen war. Bei einer Razzia sicherten Polizisten Beweise.
BERLIN taz | Es war der Exportschlager der Brandenburger Neonazi-Szene. Nächtliche Spontanaufmärsche, mit Fackeln und weißen Masken, hinter einem Banner: „die Unsterblichen“. Am Dienstagmorgen machte Brandenburgs Innenminister Dietmar Woidke (SPD) den Masken-Nazis ein Ende. Er verbot die Erfinder der Klandestin-Aufzüge, die „Widerstandsbewegung in Südbrandenburg“.
Rund 260 Polizisten durchsuchten am frühen Morgen 27 Wohnungen in Cottbus und den Landkreisen Spree-Neiße, Dahme-Spreewald, Elbe-Elster und Teltow-Fläming. Laut Woidke wurde „zahlreiches Beweismaterial“ sichergestellt. Der Minister sprach von einem „massiven Schlag gegen die rechte Szene Brandenburgs“.
Es war im Mai 2011, als im sächsischen Bautzen erstmalig 200 Neonazis nachts unangemeldet mit ihrem Maskenaufmarsch durch die Stadt zogen. Organisiert wurde dies von den Südbrandenburger „Spreelichtern“, Teil des jetzt verbotenen Netzwerks. Der Aufzug landete danach auf sozialen Onlinemedien: mit theatralischer Musik unterlegt und, wie selbst der Verfassungsschutz bemerkte, "handwerklich durchaus hochwertig" geschnitten. „Werde unsterblich“, lautete der Slogan der Neonazis. „Damit die Nachwelt nicht vergisst, dass du Deutscher gewesen bist.“
Das Spontan-Demo-Konzept fand in der von Gegenblockaden gefrusteten Neonaziszene rege Adaption: Bautzen folgten bis heute bundesweit mehr als 30 dieser Aufmärsche, zuletzt erst Ende Mai in Wismar.
Auch zieht das moderne Auftreten. So stecken laut Brandenburgs Verfassungsschutzchefin Winfriede Schreiber hinter der 25-köpfigen Kerngruppe der „Widerstandsbewegung Südbrandenburg“ nicht mehr nur „gescheiterte Existenzen“, sondern auch junge Akademiker. In Lesezirkeln wird NS-Literatur studiert, man präsentiert sich auf professionell gemachten Internetseiten. Die Mitglieder verstünden sich als Elite, für die selbst die NPD zu angepasst sei.
Kampf gegen „Fremde“
In Brandenburg rekrutierten die Neonazis Nachwuchs auch mit Boxkämpfen, veranstalteten seit 2009 „nationale Kampfsporttage“. Auch hier lautete wieder das Leitmotiv: Das Stählen im Kampf gegen „Fremde“, gegen den „Tod des deutschen Volkes“. In der Verbotsverfügung heißt es, die Vereinigung richte sich „gegen den Gedanken der Völkerverständigung“.
Woidke attestierte den Südbrandenburger Neonazis „eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus“. Deren Aktivitäten seien „für den Rechtsstaat nicht länger hinnehmbar“, so die Begründung. In Brandenburg ist es das siebte Verbot einer rechtsextremen Vereinigung in den letzten 15 Jahren.
In Hamburg und Niedersachsen gab es schon im März Razzien gegen 17 mutmaßliche Mitglieder der „Unsterblichen“. Vorsorglich werden seitdem auf deren Internetseite Tipps bei Durchsuchungen erteilt: „Keine Panik!“ In einem Szeneforum hieß es am Dienstag weniger gelassen: „Achtung! Jeder, der mit Spreelichtern zu tun hatte, sollte sofort aufräumen!“
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