Boxen: Hertha will Gericht breitschlagen
Hertha wurde die Deutsche Meisterschaft 2009 nachträglich aberkannt, weil sie angeblich einen Boxer illegal einsetzte. Das bezweifeln die Berliner - und klagen dagegen.
Peer Mock-Stümer ist sich sicher: "Am Mittwoch werden wir Deutscher Meister", sagt der Vorsitzende der Boxabteilung von Hertha BSC. Allerdings geht es nicht um den Titel der laufenden Saison, sondern um 2009. Und entschieden wird dieser Fight auch nicht im Boxring, sondern vor dem Landgericht Kassel.
Im Oktober vergangenen Jahres wurde Hertha BSC vom Sportgericht des Deutschen Boxport-Verbandes (DBV) der Meisterschaftstitel aberkannt. Stattdessen kürten die ehrenamtlichen Sportrichter den BC Velbert zum Faustkampfmeister. Begründung: Hertha BSC habe am 15. Februar 2009 im Bundesligaderby gegen SV Motor Babelsberg einen Kämpfer ohne Startberechtigung eingesetzt. Das aber akzeptiert Hertha nicht: "Wir fühlen uns betrogen", meint Peer Mock-Stümer. Deshalb zieht Hertha vor das Landgericht in Kassel, dem Sitz des Deutschen Boxsport-Verbandes.
Marcin Legowski stieg an jenem schicksalsträchtigen Kampfabend im Februar 2009 für Hertha in den Ring. Boxer aus EU-Ländern, die für einen deutschen Bundesligisten die Fäuste schwingen, gelten als "Einflieger". Sie müssen vor jedem Kampf ein besonderes Startbuch vorlegen. Das beinhaltet neben den persönlichen Daten eine Kampfstatistik sowie ein Gesundheitszeugnis des Sportlers. Erst damit erhalten die "Einflieger" die Kampferlaubnis. Marcin Legowski, mehrfacher polnischer Meister im Halbweltergewicht, konnte diesen "Spielerpass" gegen Motor Babelsberg nicht präsentieren.
Gekämpft hat er dennoch. Die Berliner garantierten nämlich per ehrenwörtliche Erklärung, dass ein Startbuch für den polnischen Boxer existiere. Man habe es schlicht vergessen, versicherten die Hauptstädter. Das überzeugte den Ringrichter, Legowski besiegte seinen Babelsberger Gegner Andre Kurz klar nach Punkten. Auch deswegen gewann Hertha den Boxabend mit 13:11 und wurde im April Deutscher Meister, erstmalig seit 1996. Vorläufig jedenfalls.
"Am Mittwoch nach dem Kampf fiel uns auf, dass noch kein Starterbuch nachgereicht wurde. Auf Nachfrage beim Verband kam heraus, dass es für den polnischen Boxer überhaupt keins gibt", erinnert sich der Manager und Trainer der Babelsberger, Ralph Mantau. Also legten die Filmstädter beim Boxverband Protest ein. "Es geht um Gerechtigkeit. Das war vorsätzlicher Betrug, was die Berliner da machten", sagt Mantau. "Es geht um persönliche Abneigungen der Babelsberger gegen uns", meint dagegen Mock-Stümer.
Unstrittig ist die Aussage des Deutschen Boxsport-Verbandes: "Wer kein Startbuch vorlegen kann, darf nicht boxen", sagt Verbandspräsident Jürgen Kyas. Das Boxsportgericht folgte dieser Argumentation und wandelte Legowskis Sieg in eine 0:2-Niederlage um. Damit verlor Hertha nicht nur den Bundesligakampf gegen Babelsberg mit 11:12, sondern wegen des Punktverlustes letztlich auch die Meisterschaft. Der BC Velbert zog in der Abschlusstabelle an Berlin vorbei.
Hertha BSC jedoch stellte sich stur. "Wir fühlen uns als der wahre Deutscher Meister 2009", erklärt Mock-Stümer. Wie zum Beweis schmiss die Faustkampfabteilung eine Meisterschaftsfeier - mit allem, was dazugehört. Es gab sogar einem Pokal. Weil der Boxverband wegen des bereits laufenden Verfahrens den Berlinern die echte Meistertrophäe nicht übergeben wollte, kaufte sich Hertha BSC selbst eine.
Dem Deutschen Boxsportverband wurde das zu peinlich. "In einer Art salomonischem Urteil haben wir den Berlinern den Vorschlag gemacht, dass sie und Velbert gemeinsam Meister 2009 werden", sagt Präsident Jürgen Kyas der taz. Doch Hertha lehnte diesen Gütevorschlag ab.
So ziehen die Berliner vor das Kasseler Zivilgericht. Mit einer 36 Seiten starken Klage "und sehr renommierten Anwälten", wie Mock-Stümer erzählt. Zwar verrät er bis heute nicht, wo das Startbuch des polnischen Boxers geblieben ist, dennoch gibt er sich siegesgewiss. "Der Kampfeinsatz war rechtens; deshalb sind wir Deutscher Meister 2009. Das wird das Gericht erkennen", glaubt er. Und wenn nicht? "Dann geht der Kampf wohl weiter", sagt Peer Mock-Stümer. Nächste Instanz, Oberverwaltungsgericht.
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