Borussia Dortmund: Der Kampf gegen die Müdigkeit
Borussia Dortmunds 0:1-Niederlage in Hoffenheim wirft eine grundsätzliche Frage auf: Inwieweit sind die Spieler der künftigen Mehrfachbelastung gewachsen?
HOFFENHEIM taz | Für alles im Leben gibt es ein erstes Mal: Es gibt den ersten Schultag, den ersten Kuss und den ersten Sex. Wie dann alles weitergeht, wenn die Premiere erst einmal hinter einem liegt, gehört zu den Dingen, die das Leben interessant machen. In Dortmund gibt es seit diesem Frühjahr ein paar sehr junge Menschen in schwarz-gelben Trikots, die zum ersten Mal in ihrem Leben deutscher Fußballmeister geworden sind. Was das mit jungen Menschen macht, weiß in dem Moment, in dem es passiert, niemand.
Mario Götze zum Beispiel war vor einem Jahr noch ein ziemlich unbekannter junger Mann. Heute vergleicht ihn Franz Beckenbauer mit Lionel Messi. Götze spielte vergangenen Mittwoch zum ersten Mal von Anfang an in der Startelf der deutschen Nationalmannschaft. Gegen Brasilien! Das tat er so gut, dass sich am Samstag beim Bundesligaspiel gegen 1899 Hoffenheim alle Kameras auf diesen erst 19 Jahre alten Fußballer konzentrierten.
Was alle gesehen hatten, die Götze schließlich nach 54 Minuten erschöpft vom Platz auf die Ersatzbank hatten schleichen sehen, erklärte BVB-Trainer Jürgen Klopp danach so: "Er war müde." Das wars, Mario Götze war müde. Das ist einerseits keine spektakuläre Erkenntnis, aber trotzdem eine Nachricht, weil der BVB in Hoffenheim 0:1 verloren hat.
Vor einem Jahr stellte der BVB noch keinen deutschen Nationalspieler, nun ist die Mehrheit des Kaders regelmäßig auf Dienstreise. Vergangene Woche war das zum ersten Mal der Fall in dieser Saison, und in Hoffenheim fehlten prompt die letzte Kraft und die ganz große Konzentration. Es ist die zentrale Frage dieser BVB-Saison, wie es dieser jungen Mannschaft gelingen wird, die Spannung in der Liga trotz erhöhter Belastung durch Spiele in der Champions League und mit den Nationalmannschaften körperlich und geistig aufrechtzuerhalten.
Niemand hat Erfahrung mit diesem Rhythmus beim BVB, auch der Trainer Jürgen Klopp nicht. Das Motto für die neue Dortmunder Welt hat er jüngst so formuliert: "Wir werden die Ersten sein, die dienstags in Madrid auflaufen und sich anschließend ein Loch in den Bauch freuen, samstags wieder in Augsburg spielen zu dürfen." Das klingt griffig, wird aber immer wieder neu auf dem Prüfstand stehen.
Emotionale Kraftakte
Klopp hätte das nicht formuliert, wüsste er nicht, dass genau in diesem körperlichen und emotionalen Kraftakt die Herausforderung für den BVB liegt. In Hoffenheim brauchten die Spieler eine halbe Stunde, um sich in das Spiel hineinzubeißen. Doch Präzision in Passspiel und Abschluss fehlten notorisch. Besonders Götze und Kagawa litten unter Müdigkeit wegen ihrer Länderspieleinsätze und der Schwüle in Nordbaden.
Hinzu kommt, dass sich der BVB mittlerweile einen Status erarbeitet hat, wie ihn der FC Bayern in den letzten 15, 20 Jahren hatte. Das meint jedenfalls Hoffenheims Trainer Holger Stanislawski. Ein Sieg gegen den deutschen Meister wird von den Konkurrenten wie eine eigene kleine Meisterschaft gefeiert. Den rhetorischen Trick Klopps ("Wir sind der erste deutsche Meister, der als Herausforderer ins Rennen geht") haben sie beim BVB exklusiv, die Liga sieht das anders.
In Hoffenheim hat der Hype nach der Herbstmeisterschaft 2008 das einst spannendste Projekt des deutschen Fußballs in eine tiefe Krise gestürzt. Den Sieg gegen den deutschen Meister feierten die Fans deshalb wie ein Erweckungserlebnis. Die zentrale Frage in Hoffenheim lautet: Kann Holger Stanislawski, der in zuvor 18 Jahren beim FC St. Pauli zum bundesweit beliebten "Stani" wurde, diese Mannschaft noch einmal vitalisieren?
Seit Samstag keimt die Hoffnung, dass der Plan aufgehen könnte. Endlich präsentierte sich diese Ansammlung von talentierten Einzelspielern wieder als Mannschaft. Jürgen Klopp lobte, Hoffenheim sei ein unangenehmer Gegner gewesen – das hat schon lange kein gegnerischer Trainer mehr über diese Mannschaft gesagt. Kapitän Andreas Beeck erklärte: "Der Trainer ist der Kopf des Teams, der uns pusht. Dass er an der Außenlinie mitspielt, tut uns gut." Und Torhüter Tom Starke bemerkte: "Letztes Jahr haben die Emotionen von außen gefehlt. Heute haben wir uns selber bewiesen, zu was wir in der Lage sind."
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