■ Bonn apart: Teure Wanne im Wasser
Bonn (taz) – Etwas ist anders im Regierungsviertel. Wo auf der Großbaustelle neben dem Abgeordnetenhochhaus „Langer Eugen“ sonst Heerscharen von Bauarbeitern Stockwerke im Akkord hochziehen, rosten nun still Stahlträger vor sich hin. Auch das Flutlicht wird nachts nicht mehr eingeschaltet. Das halbe Dutzend Kräne reckt stumm die Ausleger in den Januarhimmel. Die Feiertagsruhe über dem Torso des Schürmann-Baus dehnt sich zum Dauerzustand. Die Arbeiter machen Urlaub – und das auf Kosten des Steuerzahlers.
Die Arbeiter sind unschuldig. Schuld ist das vorweihnachtliche Hochwasser, schuld sind – möglicherweise – Ingenieure, die den Bau zu spät geflutet haben. Als in der Nacht zum 23. Dezember die Flutwelle des Rheins ihren Höhepunkt erreichte, kamen die neben dem noch unfertigen Bundestag-Erweiterungsbau installierten Pumpen nicht mehr nach. Wachen einer Baufirma meldeten knackende Geräusche und Bewegung aus dem Untergrund: Das Wasser drückte die Betonwanne in die Höhe.
Der Schürmann-Bau sollte trotz Umzugsbeschluß bis 1996 fertiggestellt werden – zwischen 700 Millionen und einer Milliarde Mark wird er kosten. Das Aufschwimmen des Gebäudes sollte durch eine Abdichtung verhindert werden, die 25 Meter tief im Erdreich verankert ist. Warum der Schutz nicht ausreichte, weiß noch niemand. Erst wenn das Grundwasser wieder fällt, kann im Februar Bilanz gezogen werden.
Reporter haben handbreite Risse in den Mauern entdeckt, aber das Bauministerium versucht das Ausmaß der Schäden herunterzuspielen. Unstrittig ist, daß sich der Bau gehoben hat – um mindestens siebzig Zentimeter. So steht noch nicht einmal fest, ob die Baustelle überhaupt noch zu retten ist.
In Berlin haben die Bonner Hauptstadtplaner bislang recht großzügig über Wohl und Wehe von Gebäuden entschieden. So wäre es Balsam für manche geplagte Berliner Seele, wenn der worst case einträte: ein Abriß in Bonn. Ob die Bonner sich dann die DDR-Nostalgiker am Ostberliner Palast der Republik zum Vorbild nehmen und zur Mahnwache am Schürmann- Bau pilgern? H. Monath
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen