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■ Bonn apartGeschlechter-Einmaleins

Großes vollzieht sich im kleinen. Konservative und katholische Kirche streiten sich mit Schwulen und Lesben, ob deren nichteheliche Lebensgemeinschaften vom Staat gewürdigt werden und steuerliche Vergünstigungen genießen sollten wie Ehen. Ein Ende des Streits ist nicht abzusehen, da haben gleichgeschlechtliche Partnerschaften still und leise einen Etappensieg errungen.

Das kürzlich erschienene offiziöse „Kürschners Volkshandbuch“ des neuen Bundestags hat in seiner Tabelle über den Familienstand der Abgeordneten der 13. Wahlperiode zwei neue Rubriken eingeführt: Sie listet „schwule Lebensgemeinschaften“ und „lesbische Lebensgemeinschaften“ im hohen Hause auf. Allerdings bekennen sich in den Angaben zur Person jeweils nur eine Parlamentarierin und ein Parlamentarier offen zu solchen Beziehungen. Weil es die Doppelmoral der eigenen Partei manchem anderen nicht erlaubt? Beide Abgeordnete haben sich als Aktivisten ihrer Sache bereits vor der Wahl in den Bundestag einen Namen gemacht: Christina Schenk (PDS) und Volker Beck (Bündnis 90/ Die Grünen).

Die weitaus meisten männlichen und weiblichen Abgeordneten sind verheiratet, wie die Tabelle ausweist. Die wenig kinderfreundliche Bonner Politik ist um so unverständlicher, als die Parlamentarier laut Statistik über mehr Erfahrungen mit Kindern verfügen müßten als die Bevölkerung, die sie gewählt hat. Die 672 Politiker des Bundestages haben immerhin 1.079 Kinder in die Welt gesetzt, großgezogen oder alimentiert.

Daß die männlichen Parlamentarier (838 Kinder) dank ihrer Familien ihre weiblichen Kolleginnen (241 Kinder) weit hinter sich lassen, verwundert wenig: Während viele Männer von der Kindererziehung entlastet sind, müssen die im Bundestag zahlenmäßig weit unterlegenen Politikerinnen während der Schwangerschaft zurückstecken und pausieren und später dann oft gleichzeitig Kinder großziehen und Politik betreiben.

Allein die bündnisgrünen Frauen im Parlament bringen auch in absoluten Zahlen mehr Kinder in die Tabelle ein als ihre männlichen Fraktionskollegen. 17 Kinder gehören zu den 20 Männern, 31 zu den 29 weiblichen Mitgliedern der Grünen- Fraktion.

Gibt es einen Zusammenhang von Erfahrung mit Kindern und der Politik, die Eltern oder Nichteltern treiben? Eine dankbare Aufgabe für Soziologen, die Karl Kraus widerlegen wollen. Der befand gemeinerweise: „Das Wort Familienbande hat einen unangenehmen Beigeschmack von Wahrheit.“

Hans Monath

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