■ Bonn apart: Die Bayern und die Flut
Bayern ist ein schönes Land: blühende Wiesen, glitzernde Seen, liebenswerte Städte, gewaltige Berge. In Bayern läßt es sich gut leben: Eine Partei der christlichen Nächstenliebe, die CSU, regiert mit absoluter Mehrheit. Bayern München ist ständig Fußballmeister. Beim Oktoberfest geht das Bier nie aus.
Aber die Bayern haben es auch nicht ganz einfach. Sie sind in Deutschland ein bißchen in die Ecke gedrängt. Im Süden ragen die Alpen auf. Im Osten lauern mit den Tschechen die ehemaligen Vertreiber. Im Norden drohen die Kommunisten, die Thüringer nämlich. Im Westen, in Baden-Württemberg, herrscht Mercedes. Und dann ist da ja noch der besonders hohe Ausländeranteil. Allein mit Neuschwanstein haben die Bayern ihr Soll mehr als erfüllt.
Es ist nur zu verständlich, daß die Bayern oft das Gefühl haben, in der Falle zu sitzen. Und deshalb große Angst vor der Flut haben. Es gibt in Bayern zwei Arten von bedrohlichen Fluten: die Ausländerflut und die Kommunistenflut. In Niedersachsen und Schleswig-Holstein würden diese Fluten einfach in Nord- und Ostsee schwappen. Aber in Bayern: gegen die Berge und – schwupp – wieder zurück. Deswegen muß man auch die Stoibers und Hubers verstehen.
Alle Welt regt sich darüber auf, daß Stoiber Ausländer mit Terroristen gleichsetzt und Huber den Kommunisten in Ostdeutschland den Geldhahn zudrehen will. Aber wer versetzt sich in die Lage der Bayern? Die geplante Reform des Staatsangehörigkeitsrechts verwandelt rund vier Millionen Ausländer – schwupps – in Deutsche. Das macht dann vier Millionen neue Wähler, die voraussichtlich nicht die christlichen Parteien wählen. Die CSU würde marginalisiert, Bayern muslimisiert. Volksbefragungen würden dazu führen, Biergenuß und Nacktbaden zu verbieten, Bayern München würde umbenannt in Bavariarasay Münchenbul. Und weil die Kommunisten in Ostdeutschland das ganze Geld der Bayern verbraten, säßen die echten deutschen Bayern auch noch in der Falle. Sie könnten nicht mal Fluchthelfer nach Österreich oder Monaco bezahlen. Markus Franz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen