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■ Bonn apartAber es floß doch kein Blut

Gott sei Dank. Oder der himmlischen Einsicht in die Vernunft. Oder Bestechungsgeldern. Ist ja auch egal. Jedenfalls ist das unwürdige Spiel vorbei. Der Vernichtungsfeldzug gegen die EU-Kommission schlug fehl. EU-Präsident Jacques Santer hat nicht recht behalten mit seiner schonungslos offenen Analyse, die Kommission sei Opfer ihrer eigenen Transparenz. (Das Leben kann weitergehen.)

In den letzten Tagen kamen sie einem wie Schafe vor, die zur Schlachtbank getrieben werden, rücksichtslos von Dornen gepeitscht, das zottige Fell bluttriefend. Aber bis zuletzt war Hoffnung. Erließ nicht auch Gott höchstselbst in allerletzter Sekunde seinem treuen Diener Abraham das Opfer seines Sohnes Isaak? Konnten die Europaparlamentarier, die über das Schicksal der EU-Kommissare zu entscheiden hatten, da nachstehen?

Peter Graf mußte nur zwei Jahre im Gefängnis absitzen, weil er letztendlich doch eingeräumt hatte, an der ihm vorgeworfenen Steuerhinterziehung in gewisser Weise auch selbst beteiligt gewesen zu sein. Mike Tyson wurde von seiner lebenslangen Ringsperre begnadigt, weil er das Ohr von George Foreman wieder ausgespuckt und damit freiwillig das Beweismittel hergegeben hatte.

Mußte deshalb nicht auch die EU-Kommission entlastet werden, weil sie in einem Akt aufopferungsvoller Offenheit den Mitarbeiter entließ, der dem Europaparlament die Verfehlungen der Kommission enthüllte? Wie hätte sie ihr schlechtes Gewissen besser dokumentieren, wie sich der öffentlichen Kritik schonungsloser stellen können? Und hatte nicht die französische Kommissarin Edith Cresson, der – in typisch männlicher Manier – Vetternwirtschaft vorgeworfen wurde, als gäbe es keine Cousinenwirtschaft, in selbstanklägerischster Weise Abbitte geleistet? Mehrfach hatte sie sich als Ziel einer Hexenjagd bezeichnet. Dabei hätten es selbst ihre ärgsten Feinde nicht gewagt, sie als Hexe zu bezeichnen.

Aufrecht und tapfer betteten die Kommissare ihre Häupter auf den kalten Altar der vermeintlichen Gerechtigkeit, der Folgen ihrer Transparenz harrend, sich dem tödlichen Schlag ausliefernd. Aber dann ging doch noch alles gut. Es floß kein Blut. Die Kommissare transpirierten nur noch ein bißchen. Markus Franz

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