: „Bomber-Harris“ bombardierte auch schon Kurden
Der mit einem Denkmal geehrte britische Luftmarschall sammelte 1923 in Kurdistan Erfahrungen mit Städtebombardements ■ Von Ralf Sotscheck
Die Diskussionen um den britischen Luftmarschall Arthur „Bomber“ Harris gehen auch nach der Enthüllung seines Denkmals am vergangenen Sonntag weiter. Harris war für das Flächenbombardement deutscher Städte im Zweiten Weltkrieg verantwortlich. Kurden hatten bereits knapp zwanzig Jahre zuvor Erfahrungen mit Harris' Taktik gemacht.
Der in Berlin lebende Kurde Jemal Nebez ist Schriftsteller, Orientalist und Politologe, sowie Mitglied der Kurdischen Akademie für Wissenschaft und Kunst in Stockholm. „Die 'Heldentaten‘ dieses Luftmarschalls gehen zurück bis zum Jahre 1923, als er meinen Geburtsort Sileymani bombardierte“, sagt er. „Sileymani war damals Hauptstadt des kurzlebigen Königreichs Süd- Kurdistan. Der für den kolonialen Lufttransport zuständige Jungsoldat Harris sah eine Chance, die Kurden dieser Region durch Luftterror dazu zu zwingen, sich der von den Briten gebastelten Verwaltungseinheit 'Irak‘ unterzuordnen.“
Harris hatte britische Transportflugzeuge zu Bombern umgebaut, deren Zielvorrichtungen jedoch sehr primitiv waren. Mit den Angriffen auf die Zivilbevölkerung wollte er die kurdischen Aufständischen bezwingen, die regelmäßig britische Soldaten überfielen, sie auszogen und durch die Wüste zu ihren Kasernen zurückschickten. „Harris ließ zunächst Flugblätter in kurdischer Sprache abwerfen, in denen er die Bombardierung ankündigte“, sagt John Ezard vom 'Guardian‘. „Nach der Bombardierung warf er erneut Flugblätter ab und forderte die Aufständischen auf, sich zu einer bestimmten Zeit zu Verhandlungen einzufinden. Meist kamen sie dieser Aufforderung nach.“ Berichte, wonach Harris Giftgas einsetzte, seien jedoch unwahr. „Das lag aber lediglich an technischen Problemen“, sagt Ezard. „Es war schwierig, die Gasbehälter im richtigen Augenblick zur Explosion zu bringen.“
Nebez sagt: „Vom 4.März 1923 bombardierte Harris tagelang die schutzlose kurdische Zivilbevölkerung. Der für 'koloniale Angelegenheiten‘ zuständige Minister hieß Winston C. Churchill. Früh lernte dieses Team: Flächenbombardierung und Totalkrieg gegen die Zivilbevölkerung bringt Resultate.“ Douglas Saward, ein Freund von Harris, schrieb 1986 in der offiziellen Harris-Biographie zynisch, daß die kurdischen Aufständischen sich über die Flächenbombardierung überhaupt nicht beschwert hätten. Der Labour-Abgeordnete Benn hatte während des Golfkriegs gegen die Bombardierung des Irak protestiert und darauf hingewiesen, daß das eine Wiederholung der Harris-Angriffe von 1923 sei.
Unsere Abbildung zeigt einen Ausriß aus einer „offiziellen Erklärung“ des Oberbefehlshabers der britischen Luftwaffe im Irak von 1923. Er warnt darin Kurden vor jeglichem Widerstand gegen die britischen Truppen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen