Bohrungen in der Arktis: Ölpest droht unterm Eis
Vor der Küste Grönlands wird bald nach Öl gebohrt. Umweltschützer fordern eine Überprüfung der Bohrungen, die Sicherheitsstandards seien nicht ausreichend.
STOCKHOLM taz | Das Küstengebiet vor Grönland gilt Ölkonzernen als besonders lukrativ. Erste Konzessionen für Erkundungsbohrungen wurden bereits vergeben. Die Energiekonzerne Chevron, Exxon und Dong haben die Erlaubnis bekommen, vor der Westküste Grönlands nach Öl zu bohren: unter anderem in der Diskobucht mit dem bekannten Ilulissat-Eisfjord, dem Ziel vieler TouristInnen. Und in einer Meerestiefe von bis zu einem Kilometer. Die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko, die sich in 1,5 km Tiefe ereigetne, veranlasst nun Politiker und Wissenschaftler, alle diese Planungen grundsätzlich in Frage zu stellen.
"Die Katastrophe im Golf hat Probleme sichtbar gemacht, die wir uns nie im Leben vorgestellt haben", sagt Eyvind Vesselbo, Umweltsprecher der rechtsliberalen dänischen Regierungspartei Venstre: "Vor Grönland hätte so ein Ölaustritt schon wegen des viel raueren Wetters noch verheerendere Folgen." Kopenhagen müsse die Ölprojekte vor Grönland nun neu prüfen.
Von einer baldigen völligen Selbständigkeit, gegründet auf den zukünftigen Ölreichtum, hatte man in Grönland geträumt. Träume, die jetzt einen Dämpfer erhalten haben. "Wir sind noch nicht bereit für ein Ölabenteuer", sagt Ove Karl Berthelsen, bei der grönländischen Selbstverwaltungsregierung für Ressourcenfragen zuständig: "Wir brauchen einen Sicherheitsstandard, den es hier noch nicht gibt." Trotz aller Bedenken sind die für diesen Sommer geplanten vier Ölbohrungen vor Westgrönland aber bislang noch nicht gestoppt worden.
Kritisiert werden diese Bohrungen auch im nahen Kanada. Auch hier können die Experten nicht sagen, welche Folgen ein Ölaustritt unter dem Eis haben würde - und was man dagegen tun könne. Kanada hat bei Bohrungen im tiefen Wasser strengere Regeln als die USA. So muss neben dem Hauptbohrloch eine Entlastungsbohrung stattfinden, damit ein Teil des Drucks aufgefangen werden kann, sollte es ein Unglück geben.
BP Kanada hatte vor dem Golf-Unglück in Ottawa einen Antrag gestellt, bei geplanten Bohrungen in der Beaufort-See von dieser Vorschrift ausgenommen zu werden. Grund: Angesichts der kurzen eisfreien Bohrsaison in arktischen Gewässern sei eine solche Extrabohrung zu teuer und zu zeitaufwendig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation