■ Bücher.klein: Böses Blut
Selten einmal ist so hemmungslos von einem Buch abgeschrieben worden. Während des Blut-Aids-Skandals wurde Egmont R. Kochs und Irene Meichnsers „Böses Blut“ aus dem Jahr 1990 zur Pflichtlektüre und zur allgegenwärtigen Quelle. Ihre Dokumentation, die jetzt in aktualisierter Auflage vorliegt, zeichnet die Entwicklung der Bluterkatastrophe Anfang und Mitte der 80er Jahre nach. Es liefert eine Chronik der schlechten Ereignisse. Sie zeigt Versäumnisse und Ignoranz von Ärzten, DRK, Pharmaindustrie, BGA und politischen Instanzen auf. Sie stellt den hysteriegetriebenen Blutskandal auf die Füße, hilft, ihn einzuordnen und auf seinen Kern zurückzuführen. Der liegt nicht in einer ominösen Schuhschachtel beim Bundesgesundheitsamt, in der eine angebliche Geheimliste mit 373 verdunkelten Blutinfektionen versteckt worden ist, sondern in der viel zu spät erfolgten Intervention gegen den Einbruch der Aids-Krise in den Jahren 1982–84.
Wer das Buch liest, kann in Zeitlupe nachvollziehen, wie diese Lawine hereinbrach und die Katastrophenhelfer zaudernd zusahen. Die Dokumente haben inzwischen historischen Wert und werden auch den Untersuchungsausschuß beschäftigen. Wer sich wirklich für das Schicksal der Bluter und die deutsche Aids-Geschichte interessiert, kommt an diesem Buch nicht vorbei. Über das angefügte aktuelle Kapitel kann man geteilter Meinung sein. HIV-Kämpfer Horst Seehofer, der auch das Vorwort schrieb, erstrahlt in hellem Glanz. Den hohen dokumentarischen Wert des Buches kann aber auch der CSU-Minister nicht beeinträchtigen. -man-
Egmont R. Koch, Irene Meichsner: „Böses Blut. Die Geschichte eines Medizinskandals“. Aktualisierte und erweiterte Neuausgabe, Hoffmann und Campe TB, 336 Seiten, 28 DM
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