: Böse Buben mit herzigen Iros
Glamrock als Zitatpop und ein geschicktes Image aus Drogengeschichten, Großmannssucht und schlechten Manieren: Die einstige Pophoffnung Dandy Warhols machen im Casino einen auf Rock-’n’-Roll-Lifestyle und „fuckin’ revolution“
Dies mag jetzt als Einstieg ganz und gar nicht originell sein, aber da es nun mal nicht unerwähnt bleiben kann: Die Dandy Warhols sind die Band aus der Vodafone-Werbung. Indem sie ihren Song „Bohemian Like You“ freigaben, damit er im Verbund mit Bildern von jugendlichen Menschen in sonnenbeschienenem Glück weniger glückliche Menschen davon überzeugen, zum kompletten Glück fehle nur mehr ein Mobiltelefon, dadurch verdienten die Dandy Warhols nicht nur ein wenig mehr Geld und wurden nicht nur sehr viel bekannter, als sie es sonst wohl geworden wären. Nein, in letzter Konsequenz lösten sie auch eine seltsame Kettenreaktion aus, die wieder einmal vor Augen führt, welche absurd verschlungenen Wege das Popbusiness mitunter einzuschlagen pflegt.
Am Ende dieser Kettenreaktion steht eine Frisur. Diese Frisur ist ein herzig altmodischer Irokese, wie man ihn in den letzten Jahren nahezu ausschließlich bei Bettelpunks sehen konnte. Getragen wird er von Courtney Taylor-Taylor, Sänger, Gitarrist und Obergroßmaul der Dandy Warhols. Dieser unzeitgemäße Haarschnitt wirkt nun wie ein schaler Protest gegen einen Erfolg, den seine Band doch immer angestrebt hatte. Taylor-Taylor gab den arroganten und anmaßenden Superstar schon, als die Dandy Warhols noch kaum mehr als eine hoffnungsvolle Popband aus dem kulturellen Niemandsland namens Portland, Oregon, waren: Ihre Songs waren eingängig, einige sogar genial, ihr Sound zitierte die Großen von Velvet Underground über die Beatles und Rolling Stones bis hin zu Pink Floyd. Aber erst ein geschickt komponiertes Erscheinungsbild aus Drogengeschichten, Großmannssucht und schlechten Manieren machte die Dandy Warhols zum allseits begehrten Spekulationsobjekt der Musikindustrie. Die Plattenfirma, die schließlich den Zuschlag erhielt, durfte später aus der Presse erfahren, wie ihre Investion verwendet wurde: „Wir haben sicherlich nicht so viel Geld für Drogen ausgegeben wie für Studiozeit“, erzählte Taylor-Taylor, „aber wir haben es ernsthaft versucht.“
Diese Wiederbelebung des schönen alten Rock-’n’-Roll-Lifestyles mochte auf den Betrachter mitunter wie eine Parodie wirken, wurde von der Band aber ganz ernsthaft als „our fuckin’ revolution“ eingeschätzt. Der mittlerweile uralte Trick, mit der Rebellennummer an eben die Fleischtöpfe zu kommen, wo schon die sich bedienen, die man angeblich so verabscheut, funktionierte dann aber doch nur auf Umwegen, als „Bohemian Like You“ in die Fänge der Marktwirtschaft geriet, in exakt 25 Ländern in die Charts einstieg und die Dandy Warhols von der Pophoffnung zur erfolgreichen Popband beförderte.
Als solche haben sich die Dandy Warhols auf ihrem neuen Album „Welcome to the Monkey House“ nun ganz dem Eklektizismus ergeben: Mit der Hilfe von Nile Rodgers (Ex-Chic), Simon LeBon (Ex-Duran-Duran) und anderen Koryphäen der Achtzigerjahre ersteht der Glamrock auf ein Neues als Zitatpop. Da dies allerdings immerhin mit seltener Verve und absolut einmaliger Selbstüberzeugung geschieht und nicht zuletzt anhand einiger wirklich schnittiger Songs, hört man doch noch mal ganz gerne zu. THOMAS WINKLER
Morgen, am Mittwoch, den 4. 6., 21 Uhr, Casino, Mühlenstr. 26–30, Mitte