Börlünale Berlin: Die Weißwurst-Klischees
Im Berliner Stadtteil Kreuzberg findet parallel zur Berlinale die Börlünale statt. Ein Festival der weißen Bohnen, türkischen Filme und des Platin-Bären, der an Mohammad Bakri geht.
BERLIN taz | Im Kinosaal riecht es nach Kuru Fasülye, nach frisch zubereiteten weißen Bohnen. Einem türkischen Gericht. Der Geruch zieht durch die Sitzreihen des ausverkauften Ballhaus Naunynstraße in Berlin und macht Geschmack auf den Nachtisch der Börlünale - einer parallelen Veranstaltung zur eigentlichen Berlinale 2010.
Doch vorher wird noch viel und laut gelacht. Auf der Leinwand läuft die türkische Komödie "Saban", ein echter Klassiker. Gleich danach der neue Film des türkischstämmigen Regisseurs Murat Seker. In "Fang wie ein Türke an, beende wie ein Deutscher" erzählen 14 erfolgreiche deutschtürkische Künstler über „eingetürkischte“ deutsche Städtenamen, länderübergreifende Missverständnisse, Visionen und kreative eigene Wege.
Dabei sind auch Günes Gürle, Bass-Bariton der Deutschen Oper am Rhein, die promovierende Rapsängerin Reyhan Sahin alias die frivole Lady Bitch Ray und Comedian Fatih Cevikollu. Sie erzählen ihre Geschichten natürlich auf türkisch - doch teilweise mit starkem deutschen Akzent.
Der Filmtitel spielt auf ein in der Türkei geprägtes Klischee an. Dort heißt es: Energisch wie ein Türke anfangen und mit deutscher Ausdauer weiterführen. Schallendes Gelächter des Publikums beweist die Lebendigkeit des Films, die Offenheit der Interviewten. Im Unterschied zu diesem Film wirken in Deutschland produzierte Filme - auch die von Deutschtürken produzierte - eher träge und schwerfällig.
Die Idee zur Börlünale hatte die Initiatorin und Schauspielerin Hülya Duyar. Und ließ sich dabei von der Gala des Deutschen Filmpreises in Bayern inspirieren. Da gibt es Weißwurst als traditionelle Verköstigung. „Wir wollten uns lustig machen über türkische Klischees“ so Duyar. Gemeint sind die auf „authentisch-türkische“ Art zubereiteten weißen Bohnen. Die Kuru Fasülye Party zur Börlünale hat mittlerweile Tradition. Seit 2002 findet sie in Kreuzberg statt.
Platin-Bär für die Meinungsfreiheit
Im Kreuzberger Ballhaus wurde am Freitag zudem der Platin-Bär für Meinungsfreiheit verliehen. Auf der Veranstaltung, die parallel zur Berlinale läuft, verleiht eine Gruppe aus früheren Berlinale Preisträgern und Teilnehmern den Bären, um damit ein Zeichen zu setzen gegen den Versuch des israelischen Staates, ihre prominenten Kollegen zu kriminalisieren.
Der diesjährige Preisträger, der israelisch-arabische Schauspieler und Regisseur Mohammad Bakri ist sichtlich gerührt, als er den Platin-Bären für Meinungsfreiheit entgegennimmt. Gestiftet und verliehen von 16 palästinensischen und israelischen Filmemachern.
Die Aufführung von Bakris kontrovers diskutiertem Dokumentarfilm "Jenin Jenin" (2002) wurde zunächst in Israel verboten, bis der Oberste Gerichtshof sie schließlich wieder erlaubte. Vorerst. Denn die israelische Soldaten, die an der Invasion der israelischen Armee im palästinensischen Flüchtlingslager Jenin in der Westbank vor fast acht Jahren beteiligt waren, klagen weiter wegen Verleumdung. Sie werden seit Kurzem auch vom Staat Israel als Nebenkläger vor dem Obersten Gerichtshof in dem nun siebenjährigen Prozess unterstützt.
Der Film lässt Zeugen und Opfer des Einmarsches zu Wort kommen. Die Preisverleiher machen klar, dass diese subjektive Perspektive kein Grund zur Beschneidung der Meinungsfreiheit ist und setzen ein deutliches Zeichen gegen die „fortwährende Brutalität der Besatzung“. Sie sagen „Nein zu den zynischen Versuchen von Regierungen, großartige Künstler auf dubiosen legalen Wegen zum Schweigen zu bringen“ und „Ja zu Dialog, Meinungsfreiheit und dauerhaften Frieden.“
Danach wird Bakris neuester Film "Zahara" (2009) aufgeführt. Die Heldin der Dokumentation ist seine 80-jährige Tante Zahara aus dem Dorf Al Bane nahe der libanesischen Grenze. Aus deren Perspektive wird die turbulente Geschichte des Landes und der Menschen um sie herum mit all ihren tragischen aber auch komischen Momenten gezeigt. „Ein Stück Erinnerung soll hier festgehalten werden“ so der israelische Filmemacher Udi Aloni, der den Platin-Bären an Bakri übergibt.
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