Böllerverbot in Berlin: Die Debatte ist gezündet
Seit Jahren fordern Umweltverbände und Grüne ein Böllerverbot. Absehbar ist: Es gibt wieder zwei Verbotszonen an Silvester.
Die Einrichtung möglicher Pyrotechnik-Verbotszonen werde derzeit in Absprache mit der Polizei Berlin geplant, teilte Martin Pallgen, Sprecher der Innenverwaltung, auf Anfrage der taz am Montagabend mit. Abschließende Entscheidungen seien aber noch nicht getroffen.
Im vergangenen Jahr war ein alter Traum vieler Umweltschützer unverhofft in Erfüllung gegangen. Aufgrund der Coronapandemie war der Kauf von Feuerwerkskörpern in ganz Deutschland verboten worden, lediglich noch vorhandene Böller aus den Vorjahren durften gezündet werden. Zusätzlich richtete der Senat 54 Verbotszonen auf Plätzen, Straßen und in Parks ein, in denen Feuerwerk und der Aufenthalt untersagt waren. Dies sei nötig, so die Begründung damals, um Kontakte zu beschränken und die Ausbreitung von Corona zu bekämpfen.
Ob dieses Jahr erneut derart drastische Maßnahmen wegen der Pandemie ergriffen werden müssen, ist noch unklar. Die Umwelthilfe bringt überwiegend ökologische Argumente ins Spiel: vor allem die Verschmutzung der Luft durch Feinstaub, die vielen Verletzungen von Händen und Augen durch Böller sowie die Auswirkungen des Lärms auf Tiere. „Feuerwerk zum Jahreswechsel mit Schwarzpulver muss unterbleiben“, sagte der Umwelthilfe-Geschäftsführer Jürgen Resch. Die Bundesregierung müsse das Sprengstoffgesetz entsprechend ändern.
Vertreter*innen der Polizei geht es eher um Sicherheitsaspekte. In den vergangenen Jahren waren Polizei und Feuerwehr verstärkt von oftmals betrunkenen Randalierer*innen angegiffen worden. Dem will Innensenator Geisel offenbar Rechnung tragen, indem er wie schon zum Jahreswechsel 2019/20 auf dem Alexanderplatz und im Steinmetzkiez in Schöneberg das Abbrennen von Feuerwerk untersagen möchte, wie die Deutsche Presse-Agentur berichtet.
Der taz sagte Geisels Sprecher: Die Einrichtung der Pyrotechnik-Verbotszonen am Alexanderpatz und im Steinmetzkiez hätten „sich in den vergangenen Jahren bewährt“; sie dienten dem Schutz von Dienstkräften von Polizei und Feuerwehr, aber auch von anderen Menschen in den ausgewiesenen Gebieten. „Insbesondere konnten dort größere Personenansammlungen, gewalttätige Auseinandersetzungen sowie eine übermäßige Verwendung von Pyrotechnik mit entsprechenden Gefahren verhindert werden“, so Pallgen weiter.
Kritik von den Grünen
Lediglich zwei Verbotszonen in ganz Berlin seien zu wenig, kritisiert Benedikt Lux, der innenpolitsche Sprecher der Grünenfraktion im Abgeordnetenhaus. Er plädiert dafür, weitere solcher Zonen einzurichten, etwa am Hermannplatz in Neukölln, dafür aber nicht mehr Polizisten als bisher einzusetzen. „Der personelle Aufwand ist sehr groß“, so Lux zur taz. Laut Senatsinnenverwaltung waren zum Jahreswechsel 2019/2020 insgesamt 2.106 Dienstkräfte zur Überwachung der Böllerverbotszonen eingesetzt worden, zum Jahreswechsel 2020/2021 waren es sogar 3.803 Dienstkräfte.
Grundsätzlich wäre ein generelles Verbot privater Böllerei sinnvoll, erklärt Lux, oder zumindest der zeitlich stärker noch als bisher eingeschränkte Verkauf von Feuerwerk. Das sei aber Sache des Bundes.
Weitere Verbotszonen in Berlin sind zumindest nicht ausgeschlossen: Mit Blick auf steigende Coronazahlen betonte die Senatsinnenverwaltung gegenüber der dpa, es sei nicht auszuschließen, dass es weitere Bereiche geben könnte, „an denen zu Silvester der Aufenthalt und die Verwendung von Feuerwerk und anderen pyrotechnischen Gegenständen aus Infektionsschutzgründen untersagt ist“. Darüber werde die Innenverwaltung im Einvernehmen mit der Senatsgesundheitsverwaltung zum gegebenem Zeitpunkt entscheiden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen