■ Boeing und McDonnell Douglas schließen sich zum größten Luft- und Raumfahrtkonzern der Welt zusammen. Damit schrumpft nicht nur die Konkurrenz, sondern auch die Menge an Rüstungskonzernen, die die US-Regierung durchfüttern muß: Mit und ohn
Boeing und McDonnell Douglas schließen sich zum größten Luft- und Raumfahrtkonzern der Welt zusammen. Damit schrumpft nicht nur die Konkurrenz, sondern auch die Menge an Rüstungskonzernen, die die US-Regierung durchfüttern muß
Mit und ohne Rüstung die Nase vorn
Sie bekämpften sich jahrzehntelang und heiraten nun doch. Und sie werden die Größten sein: Wenn die US-Firmen Boeing und McDonnell Douglas in etwa einem halben Jahr ihre Aktien tauschen, entstehen der größte Kampfflugzeugkonzern und der größte Hersteller von zivilen Flugzeugen der Welt. Und die bemannte Raumfahrt der USA wird fast ausschließlich mit Boeing in die Umlaufbahn katapultiert werden. Der Umsatz des Gemeinschaftsunternehmens wird bei etwa 72 Milliarden Mark liegen. Die 200.000 Angestellten der beiden Firmen sollen effektiver arbeiten und damit eine Milliarde Dollar pro Jahr einsparen, schätzen die Manager. Damit würde der Betriebsgewinn in der Gruppe auf jährlich fünf Milliarden Dollar steigen.
Dabei übernahm Boeing eine Firma, die keine eigenständige Zukunft mehr hatte. McDonnell Douglas hat zwar viele fähige Entwicklungsingenieure, aber seit zwanzig Jahren keinen Auftrag von den US-Militärs für einen neuen Kampfjet bekommen. Und die Entwicklung von Pasagierflugzeugen wurde dieses Jahr sogar offiziell mangels neuer Order eingestellt.
Würden in unseren Zeiten noch Heldengeschichten mit Aufstieg und Fall großer Familien erzählt – eine der ergiebigsten Vorlagen wäre der Kampf zwischen Boeing und McDonnell Douglas. William E. Boeing handelte eigentlich mit Holz im waldreichen US-Bundesstaat Washington an der Pazifikküste. Zusammen mit einem Freund beschloß er, daß er bessere Flugzeuge bauen könnte als alle anderen damals – eine gewisse Unbescheidenheit, die sich bei dem Aeroriesen aus Seattle bis heute gehalten hat.
Seit dem ersten Wasserflugzeug von 1916 mit einer Spitzengeschwindigkeit von 120 Stundenkilometern entwickelte sich die Firma stetig weiter. Doch der eigentliche Komet am Flugzeughimmel war die Firma von Donald Douglas. 1920 eröffnete er hinter einem Friseurladen in Los Angeles eine kleine Flugzeugfabrik. Schon 1924 flog der „Douglas World Cruiser“ als erstes Flugzeug um die Erde, wenn auch noch in satten 15 Tagen. In den 30ern räumte Douglas dann den Markt für Passagier- und Frachtflugzeuge ab; zu Beginn des Zweiten Weltkriegs waren 80 Prozent aller zivilen Maschinen aus den Werken in Kalifornien. Nach dem Krieg allerdings modernisierte Douglas seine Flotte zu langsam, und der Konkurrent Boeing überholte technisch und auch von den Verkaufszahlen her.
Boeing hatte den Krieg genutzt, um sich mit seinen Langstreckenbombern dumm und dämlich zu verdienen. Mit der B-29 zum Beispiel wurden nicht nur deutsche Städte in Schutt und Asche gelegt. Dieser Typ warf auch die Atombomben über Japan ab. Bei den späteren düsengetriebenen Bombern wie der berüchtigten B-52 setzten die Seattler unwiederbringlich die Standards. Ihr Know- how half ihnen natürlich bei der Entwicklung großer Passagierflugzeuge wie des Jumbo-Jets. 1995 verkaufte Boeing 60 Prozent der zivilen Flugzeuge weltweit, McDonnell Douglas nur noch 6 Prozent. Der europäische Konkurrent Airbus liegt bei 34 Prozent.
Das Hauptgeschäft von McDonnell Douglas lag in den letzten Jahren im Rüstungsbereich. 1967 fusionierte Douglas mit McDonnell Aircraft aus St. Louis zum größten Kampfflugzeughersteller der Welt. Der alte Kampfbomber F-4 Phantom, der in deutschen Tieffluggebieten noch heute für die Luftwaffe donnert, gehört ebenso zum Sortiment wie die meistbenutzten Düsenjäger der US Air Force und der Navy. Doch den Einstieg bei den kommenden, für das Radar unsichtbaren Stealth-Fliegern hatte das McDonnell-Management verpaßt und damit auch die nächste Runde bei den Aufträgen an die Rüstungsindustrie.
McDonnell Douglas fällt nun Boeing wie ein reifer Apfel in den Schoß. Erst Anfang Dezember hatte Boeing Rockwell gekauft, ebenfalls Bomber-, Raumfahrt- und Raketenbauer. In der US-Rüstungsindustrie entsteht damit zwar ein Riese, aber keineswegs ein Monopol. Selbst bei den Kampfflugzeugen gibt es einen vergleichbaren zweiten Großen: die Lockheed Martin Corporation. In den letzten drei Jahren gab es 21 Firmenzusammenschlüsse im US-Rüstungsbereich. Seit 1987 wurden 1,1 von 3,9 Millionen Jobs der Branche in den USA wegrationalisiert.
Nach dem Ende des Kalten Krieges versucht das US-Kriegsministerium Geld zu sparen, die Aufträge schrumpfen. Auch die bisherige Methode, die Entwicklung eines bestimmten Flugzeugtyps von mehreren Unternehmen parallel betreiben zu lassen, bevor man schließlich den Auftrag an eine Firma vergibt, kam das Pentagon teuer. Deshalb sieht die Regierung die Firmenzusammenschlüsse mit einem lachenden und einem weinenden Auge; die Konkurrenz unter den Konzernen schrumpft, die Menge an Rüstungskonzernen, die sie durchfüttern muß, jedoch auch.
Das Kartellamt wird nun wohl den Fall prüfen. Da Boeing bei den Passagierflugzeugen schon den Markt beherrscht und bei den Kampfjets wiederum starke Konkurrenten hat, werden die Wettbewerbshüter wohl nicht viel ausrichten. Das Pentagon wird in jedem Fall abgezockt, wenn sich die Konzerne einig sind. So konkurrieren um den 200 Milliarden Dollar teuren Auftrag für einen neuen Kampfjet seit November nur noch zwei Unternehmen: Boeing und Lockheed. Reiner Metzger
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