Bodo Ramelow im Wahlkampf: Kann er einmal Lafontaine beerben?
Mit Strenge hat Bodo Ramelow die Linkspartei fusioniert. In Thüringen will er erster Ministerpräsident seiner Partei werden. Ist er der Mann, der auf Lafontaine folgt?
BERLIN taz | Er war klein, dick und ein Schulversager. Jetzt will Bodo Ramelow Thüringen regieren. Schafft er das, wird er der erste rote Ministerpräsident im Osten. Doch ob Staatskanzlei oder Landtag, Ministerpräsident oder Oppositionsführer - in beiden Fällen dürfte das Vorhaben ihm nicht schaden. So oder so empfiehlt Ramelow sich für die Parteiführung.
Warum sonst tauscht er das aufregende Berlin gegen das überschaubare Erfurt. Er kann ja zurück. Zur Bundestagswahl 2013 wären Bisky und Lafontaine, die heutige Doppelspitze, zusammen einhunderteinundvierzig Jahre alt. Ramelow siebenundfünfzig. Gefragt, ob er den umstrittenen Oskar Lafontaine ablösen wolle, sagt Bodo Ramelow der sonntaz: "Ich kann mir alles Mögliche vorstellen. Das ist aber nicht an die Person Lafontaine gebunden. Jetzt heißt das Ziel Landespolitik."
Das ausführliche Porträt in der Wochenendausgabe der taz zeigt den gebürtigen Niedersachsen als einen, der stets beides ist: Westler und Ostler, Einpeitscher und Pragmatiker, Christ und Sozialist. In diesen Wochen ist er unterwegs durch Thüringen, wo CDU-Ministerpräsident Dieter Althaus laut einer aktuellem Emnid-Umfrage mit 36 Prozent der Wählerstimmen seine absolute Mehrheit verloren hat.
Die Linkspartei wird mit prognostizierten 24 Prozent erneut zweitstärkste Kraft, gefolgt von der SPD (18 Prozent), FDP (9 Prozent) und den Grünen mit sechs Prozent. Damit ist im Freistaat nach dem 30. August Rot-Rot-Grün rechnerisch möglich.
In der letzten Legislaturperiode hat die CDU in Thüringen einiges vergeigt: Höchste Pro-Kopf-Verschuldung im Osten, Abwasser, Opel – überall klemmt es. Zusammen mit der SPD schoss Ramelow im Landtag gegen die CDU. Irgendwann war klar: Nach der nächsten Wahl regieren wir zusammen. Nur die Ministerpräsidentenfrage blieb strittig. Ein Dunkelroter in der Staatskanzlei? Möglich schien alles.
Dann fuhr Dieter Althaus am Neujahrstag eine Skifahrerin tot, und das Unbegreifliche geschah: Der Wintersportler gewann in den Umfragen Stimmen hinzu. Und nicht nur das, bei der Europawahl holte – anders als beim Bundesergebnis – sogar die SPD auf, und SPD-Chef Matschie tut so, als hätte er die Linke nie nötig gehabt. Dabei hat sogar der Bundesparteitag der SPD gerade den Weg frei gemacht für Rot-Rot auf Länderebene. Nach dem 30. August wird sich zeigen, ob Christoph Matschie Althaus' Steigbügelhalter wird.
"So ein Ministerpräsident", sagt Ramelow über Althaus, "wird nicht mehr gemessen an seiner Arbeit und an den Ergebnissen seiner Arbeit. Das spielt alles keine Rolle mehr. Es geht nur noch darum, ob Althaus den Scheitel richtig rum hat."
Dem Mitleidsbonus will er nun Fakten entgegensetzen. Mitte Juli wird er das "Schwarzbuch Thüringen" vorlegen. Auf 200 Seiten listet er darin auf, wie im Freistaat "Postenhandel und mandatliche Rundumversorgung" funktionieren, kurz: der "schwarze Filz". Das Schwarzbuch informiert über Subventionsbetrug, nutzlose Bauten von Abwasserzweckverbänden oder Einsparungen an Thüringer Theatern in der CDU-Regierungszeit. Ob es ihm Wählerstimmen bringt, wird sich zeigen.
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