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■ Gewerkschafter gegen „Parasiten“Boden für Pogrome

Nirgendwo ist das soziale Gefüge zwischen einheimischen und nicht einheimischen Arbeitern derzeit so spannungsgeladen wie auf den Berliner Baustellen. 30.000 Bauarbeiter sind arbeitslos, während ausländische Arbeiter zuweilen für weniger als zehn Mark die Stunde schalen, betonieren oder baggern. Daß es vor diesem Hintergrund noch nicht zu größeren rassistischen Ausschreitungen gekommen ist, hat sicher viele Gründe. Einer davon ist der, daß bei aller „Konkurrenz“ zwischen tarifgebundenen Baufirmen und Billiglohnanbietern der Blick auf die Profiteure dieser frühkapitalistischen Arbeitsbedingungen nicht verloren ging: Generalunternehmer und Baukonzerne, die sich nicht entblöden, mit eigenen Tochterfirmen im Ausland nach menschlichen „Schnäppchen“ zu jagen.

Hätte eine Gruppe von Neonazis ausländische Bauarbeiter als „Parasiten“ beschimpft und gefordert, das „Krebsgeschwür“ zu entfernen, wäre dies vielleicht „nur“ ein weiteres Zeichen für den alltäglichen Rassismus in dieser Stadt. Ein Gewerkschaftsfunktionär freilich, der nicht nur ausländische Bauarbeiter als Sündenböcke präsentiert und dabei ihre Zwangslage ignoriert, sondern sich dabei auch noch eines ungeschminkt rassistischen Vokabulars bedient, erfüllt nicht nur den Tatbestand der Volksverhetzung. Er bereitet auch jenen Boden, auf dem andernorts in diesem Lande schon einmal Pogrome entstanden sind. Um so schlimmer ist es, wenn die Gewerkschaftsführung nicht in der Lage ist, offensiv mit einem solchen Umstand umzugehen. Wer lediglich auf Mindestlöhne für ausländische Bauarbeiter setzt, ignoriert die Tatsache, daß auf den Berliner Baustellen mehr verlorenzugehen droht, als die Konkurrenzfähigkeit der einheimischen Betriebe. Uwe Rada

siehe Bericht Seite 22

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