: Bob Dylans Triumph
29. JULI 1966 Unfall und Entschleunigung: eine Motorradfahrt mit Folgen für die Musikgeschichte
James Dean, Marlon Brando, Steve McQueen und Clint Eastwood, alle fuhren sie eine englische Triumph. Auch Bob Dylan hatte sich so eine Maschine gekauft und machte damit die Gegend rund um sein Domizil in Woodstock, dem Worpswede der Sechziger, unsicher – unter Coolnessgesichtspunkten die beste Entscheidung, die man damals im Bereich motorenbetriebener Zweiräder treffen konnte.
1966 war Dylan ein Gott, aber seine Jünger gingen ihm langsam auf die Nerven. Alle sahen in ihm, was sie gerade sehen wollten – dabei sollte man sich doch kein Bild vom Bobfather machen. Es wurde ihm ein bisschen viel: Eben zurück von einer Tour, hatte sein Manager schon wieder 60 neue Konzerte arrangiert. In den vergangenen vier Jahren waren sieben Alben erschienen, und in zwei Wochen sollte er die Fahnen seines ersten Buches „Tarantula“ korrigiert an den Verlag zurücksenden.
Dann, am 29. Juli 1966, geschah das, was er später einen „richtigen Unfall“ nennen sollte, zumindest war es ein folgerichtiger, denn Dylan war in diesen Zeiten einfach zu schnell unterwegs. Er geriet mit seiner Triumph ins Schleudern und hätte sich beinahe das Genick gebrochen. Der Unfall ist noch heute ein großer Mythos in der Dylanologie: War der Sturz wirklich so dramatisch oder eher eine feine Gelegenheit, sich für eine Weile zurückzuziehen, von den Drogen runterzukommen und ein bisschen Familienvater in der ländlichen Idylle von Upstate New York zu spielen?
Man weiß wenig über die anderthalb Jahre Rekonvaleszenz vom Motorpsycho Nightmare der vergangenen Monate. Im Krankenbett hat es ihn zumindest nicht lange gehalten: Er jammte mit den Kumpels von The Band im Keller, und schon Ende 1967 veröffentlichte er „John Wesley Harding“ – auf dem Höhepunkt der Hippie-Bewegung ein von Bibelstudien geprägtes, sehr frühes Alterswerk des 26-Jährigen.
Im Nachhinein wurde der Un- zum Glücksfall, denn Dylan wollte nicht Teil und noch weniger die Ikone einer Jugendbewegung sein. Sein Weg führte schließlich 1969, als alle nach Woodstock rannten, nach Nashville, wo er mit dem damals als erzkonservativ geltenden Johnny Cash sang.
Auf die Bühne kehrte er erst 1974 zurück. Da waren die Blumen längst wieder aus den Haaren und die Revolutionsträume aus den meisten Köpfen verschwunden. ULRICH RÜDENAUER