Blumenfotos vor der Bundeskunsthalle: Nur eine Papierrose
Eine Holzbude schmiegt sich ins Foyer der Bundeskunsthalle. Wolf Klein bietet hier zur UN-Konferenz zum Schutz der biologischen Vielfalt Fotos von Blumen an.
Ganz unauffällig schmiegt sich eine Art Gartenhäuschen oder Holzbude vom Weihnachtsmarkt an die Kopfwand im weitläufigen Foyer der Bundeskunsthalle. Darüber, dass es sich bei dieser Installation um einen Blumenladen handelt, klärt der schlichte, schwarze Aufdruck auf einer weißen Banderole unter der Theke auf.
Die Information ist entscheidend, irreführend und erhellend zugleich, denn Blumen gibt es dort nicht zu kaufen. Was der Laden des Berliner Künstlers und Fotografen Wolf Klein anbietet, sind Fotos von Blumen: Rosen, Gerbera - Schnittblumen halt, wie man sie an jeder Straßenecke bekommt, aber beheimatet im kleinen Abgrund zwischen Wort und Wirklichkeit, vielleicht im Sinne von René Magritte: Ceci nest pas une fleur.
Die Blumenbilder kommen ganz unschuldig daher. Sie hängen säuberlich aufgereiht an den Wänden des Gartenhäuschens, davor wippen ausgeschnittene, auf Drähte gezogene Blütenköpfe: es sind keine edlen Inszenierungen wie die Blüten von Robert Mapplethorpe, noch legen sie ein naturhistorisches Interesse nahe wie die Fotos von Karl Blossfeldt. Wolf Kleins Werke scheinen auf nichts außerhalb ihrer selbst Liegendes zu verweisen, nicht einmal auf das Blumenschenken als romantische, tröstende oder festliche Geste.
Die Bedeutung seiner in der Kunstgeschichte so oft verwendeten, symbolträchtigen Motive wird, so sieht es aus, weder erhöht noch vertieft - doch ausgestellt an einem Kunstort schwingt all dies naturgemäß mit. Aber mehr nebenbei, denn anderes scheint hier gefragt und gemeint zu sein. Die Papierblumen sind im Billigholzhaus in den geschmacklichen Rahmen einer Woolworth-Wirklichkeit gesetzt, ein Minimuseum im Gross-Museum, ein Störfaktor mit dem Appeal pseudoländlicher Schrebergartenkuscheligkeit im Foyer der staatstragenden Kunsthalle. Daneben ist der Laden auch ein echter Laden mit einer Theke und allem: die Objekte können für ein paar Euro gekauft werden. Zu billig? Zu teuer? Kunst oder Kitsch oder nichts von beidem - das ist hier die Frage, und sie kann gleich mit dem Künstler - oder Blumenhändler - selbst diskutiert werden: der Blumenladen ist auch ein interaktives Experiment, an dessen Ausgang oder Fortgang Besucher, Käufer und Betrachter selbst beteiligt sind. Tag genau nachzulesen auf Wolf Kleins schöner Website www.karnation.de. Den Blumenladen, der in Berlin seine feste Basis hat, aber immer wieder auf Tournee geht, während der UN-Konferenz zum Schutz der biologischen Vielfalt nach Bonn einzuladen und genau an diesem Ort zu platzieren, ist endlich mal ein sinniger kuratorischer Einfall. MARION LÖHNDORF
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