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■ Blue Box zeigt Videokünstler aus UngarnSchneewittchen mit Power

Blue Box zeigt Videokünstler aus Ungarn

Schneewittchen mit Power

Die ganze Stadt pocht im Rhythmus der Stahlhämmer, und der Schmied singt bei der Arbeit mit dem glühenden Metall eine Arie von Wagner. So sieht ein „Luck Smith“ aus: einer, der „seines Glückes Schmied“ ist, und so heißt auch diese Arbeit von Gustav Hamos, ungarischer Videokünstler. Hamos ist schnell und blitzgescheit: eine gute Idee, in wenigen Minuten witzig und originell präsentiert — so wirken seine Kunstvideos.

In vier Minuten erzählt er in „Snow White“ das Märchen von Schneewitchen aus der Perspektive des „Spiegleins an der Wand“ — und dieser Spiegel ist der Bildschirm. In „Killer“ stellt er in 8 Minuten drei Mörder vor: der erste ist ein bezahlter Attentäter, der zweite ein Feingeist, der aus rein künstlerischen Motiven tötet, und der dritte hat den Auftrag, die Filmfigur Flash Gordon auf der Kinoleinwand umzubringen. Hamos' Videos wirken spielerisch und unprätentiös — ganz anders als die formalistischen Anstrengungen vieler seiner Kollegen, bei denen die technischen Effekte zum Selbstzweck verkommen.

Hamos ist dagegen der Inhalt mindestens ebenso wichtig wie der Stil. Deshalb ist seine 59minütige Produktion „1989 — Die Revolution im Fernsehen“ auch eher konventionell wie ein TV-Feature konzipiert.

Der Ungar Hamos, der 1979 nach West-Berlin emigrierte und seine Videos ausschließlich im Westen produzierte, reiste 1989 zurück nach Ungarn und drehte diese Dokumentation über die Macht des Fernsehens in den osteuropäischen Revolutionen. Archivaufnahmen und Interviews mit ungarischen Fernsehjournalisten stellt er dabei in Kontrast zu Bildern aus dem alltäglichen Leben einer durchschnittlichen Fernsehzuschauerin: seiner Großmutter. Besonders böse ist die Sequenz, in der die Bilder von Ceaucescu Prozeß und Hinrichtung mit Aufnahmen zusammengeschnitten wurden, in denen Hamos Großmutter in der Küche ein Karpfen mit dem Hammer den Kopf einschlägt. Diese Arbeit ist ein faszinierender Zwitter: halb Fernsehfeature, halb Videokunst. Wilfried Hippen

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