: Bloß keine Vatersnamen!
■ Einige Vorschläge zur Güte für wendewürdige Umbenennungen
Wir haben ihn ja gut eintrainiert, den martialischen Stechschritt, den uns die Blücher-, Knesebeck-, Manteuffel und andere Straßen aufzwangen. Wir haben gerne an den Kriegsschauplätzen von Nollendorf, Wittenberg, Sedan und anderen gelagert, wir haben uns gerne im Windschatten aller Alexanders, Herrmanns und anderer Breitschultern bewegt. Da uns die gegenwärtige Geschichte jedoch andere Gangarten wie das Kriechen, das Sich-vorwärts-Schleppen, das Bloß-nicht -Zurückbleiben einerseits und das Stolpern und Holpern andererseits auferlegt, möchten wir mit Namensvorschlägen unsererseits den neuen Verhältnissen von Progression und Regression Rechnung tragen.
Für den Alexanderplatz beispielsweise würden wir Neues Forum vorschlagen oder Bündnisplatz, für die wiedervereinigten Straßen quer über den vormaligen Todesstreifen hätten wir Namen wie die Hüben-wie-drüben -Straße, die Niederlage-des-1.-Juli-Straße, die Dritte-Weg -Sackgasse, der Alle-Heiligen-der-Ungarn-Ausreise-Pfad, die Währungsgefälle-Stiege und so weiter zu bieten. Aber auch der Ulrich-Greiner-Christa-Wolf-Versöhnungs-Boulevard dürfte als Verbindungsstraße nicht fehlen. Den Todesstreifen würden wir etwa mit der Ibrahim-Böhme-Märtyrer-Straße, der PDS -Passage und der Biermann-Krawczyk-Klier-Promenade (beliebig verlängerbar) und dem Anderen Ufer bestücken. Am Checkpoint Charlie würden wir den Jubelhain installieren. Für den Osten hätten wir den Vorschlag einer Bloß-nicht-Heiner-Müller -Straße zu machen, für unser an den Checkpoint Charlie angrenzendes Gebiet würden wir doch ganz selbstsüchtig auf der Unbekannten-Autoren-Straße, der Arno-Widmann-Sackgasse, dem Anna-Jonas-Diskussionsfähigkeitsprobe-Corner und dem Tornow-Gedenk-Treppchen bestehen.
Eher bezirkverbindend könnte der FDGO-Ring sein; der Platz der Luftbrücke wäre zu erweitern zur Dritte-Welt-Luftbrücke (die Hungerkralle bräuchte dann nur umgewidmet zu werden). Das Für-alle-Frauen-Gäßchen wäre mehrfach über die Stadt zu verstreuen, den Trabi-Gedächtnishain könnte man etwa am Flughafen Tempelhof einrichten; in Kreuzberg dürfte nicht der Kreuzberger-Vertriebenen-Boulevard vergessen werden; die Oranienstraße könnte in Banater-Schwaben-Gedächtnis-Korso umbenannt werden; die Invalidenstraße sollte besser Pennerallee heißen. Die Straße des 17. Juni mitsamt Unter den Linden könnte die Endlose-Einheits-Straße genannt werden, für den Platz rund um die Goldelse wäre Platz des Himmlischen Friedens angebracht. Der Breitscheidplatz würde zum Sozialismus-Gedächtnisplatz. Die diversen Hohenzollern-, Hohenstaufen- und dergleichen Straßen wären zu ersetzen durch die Von-und-zu-Kurzsichtigen, -O-beinigen, -frühgeborenen-Straßen und anderen Adelstitel. Die Pfaueninsel könnte die Ausländische-MitbürgerInnsel heißen; der Teltowkanal vielleicht die Martiny-Klein-Schreyer -Riedmüller-Seel-Limbach-Meeresenge. Für Nonnendamm würden wir den Polymorph-Perversen-Damm vorschlagen, er könnte aber auch durch den Rübermachwaisen-Damm ersetzt werden. Unsere eigenen Namen würden wir in der Schall-und-Rauch-Straße aufgehen lassen.
bkul
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