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■ Israel und die Torheit der RegierendenBleierne Tauben

Israels Außen- und Sicherheitspolitik stellt ein unerschöpfliches Reservoir zur Illustration der These von der „Torheit der Regierenden“ (Barbara Tuchman) dar. Zwei Jahre nach dem Golfkrieg ist der gegenwärtige israelische Premier drauf und dran, den gleichen Fehler zu begehen wie seine Vorgänger nach dem Sechstagekrieg. Mochte Golda Meir damals nicht einsehen, daß es Palästinenser tatsächlich gibt und Moshe Dayan auf einen Anruf aus Amman wartet, so vertraut Jitzhak Rabin heute ungebrochen auf eine „Politik der harten Hand“. Wie 1967 erweisen sich die israelischen Staatsführer auch heute als Gefangene ihres Sicherheitsdenkens.

So verständlich es ist, daß kein israelischer Ministerpräsident sich nachsagen lassen will, er ließe ungestraft Terror zu, so töricht sind die jeweils angedrohten oder auch exekutierten Repressalien. Die überhastet beschlossene Deportation von 400, der Kontakte zur fundamentalistischen Hamasbewegung verdächtigen Männern eskalierte die Wut unter den Palästinensern, die bald 25 Jahre, ohnmächtig und ohne jede Hoffnung unter einer drückenden Besatzung leben müssen. Der vermeintlich geschickte Schachzug, PLO und Hamas gegeneinander auszuspielen, und so die PLO zu noch mehr Konzessionen zu drängen, mußte scheitern. Statt dessen breitet sich in den besetzten Gebieten, aber auch unter israelischen Arabern das aus, was der Analytiker der algerischen Revolution, Franz Fanon, an den „Verdammten dieser Erde“, an allen Kolonialisierten feststellte: ein tiefes Gefühl der Erniedrigung, das sich oft genug nur noch im Amoklauf entladen kann. Auf diesen tödlichen Haß, der unerwartet in den Alltag einbricht, mit weiteren Repressalien, mit Abriegelung oder Arbeitsverbot zu reagieren, täuscht Stärke und Sicherheit nur vor. Jede weitere Repressalie steigert den Haß, jede Abriegelung des Westjordanlandes führt der Weltöffentlichkeit vor Augen, daß Israel alleine mit dieser Bürde nicht fertig wird, das Westjordanland nicht zu Israel gehört.

Politische Alternativen? Jene Eigenschaften, die den Sozialdemokraten Jitzhak Rabin für einen großen Teil der israelischen Bevölkerung wählbar gemacht haben, sind zugleich die Ursachen für sein gegenwärtiges Versagen: „Zuverlässigkeit“ in Sicherheitsfragen und kompromißlose Ablehnung eines palästinensischen Staates. Die israelische Alternative zu Rabin jedoch wäre lediglich eine rechtsgerichtete Likudregierung, die nicht einmal zu kosmetischen Kompromissen bereit ist. Die Lösung liegt wie eh und je in Washington. Nur wenn Bill Clinton und Warren Christopher die Nahostpolitik von Bush und Baker fortsetzen, kann und muß sich Israel bewegen. In den USA aber wird die Zeit knapp. Schon Anfang 1996 herrscht dort wieder Wahlkampf. Eine Politik, die auf Israel Druck ausübt, verbietet sich dann der jüdischen Wähler wegen von selbst. Ohne diesen Druck aber wird sich der Aufstand der steinewerfenden Kinder in eine Epidemie mörderischer Anschläge verwandeln. Micha Brumlik

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