: Blasse Helden und schöne Ohren
Vielleicht manchmal zu sehr vereindeutlicht: Ulf Otto hat Haruki Murakamis Roman „Wilde Schafsjagd“ in den Sophiensælen inszeniert. Insgesamt etwas theatralisch, meist aber auch gelungen wehmütig und angenehm konzentriert und verträumt
VON DETLEF KUHLBRODT
Murakami finden alle super. Letztes Jahr wurden die Interviews, die der japanische Erfolgsautor mit Opfern des Tokioter Giftgasanschlags geführt hatte, auf die Bühne gebracht, nun hat Ulf Otto den Roman inszeniert, mit dem Murakami 1982 in Japan der Durchbruch gelang. Es war supervoll und am Rande gab’s einen Stand mit der „Wilden Schafsjagd“ als Hörbuch und Joachim Król als Vorleser. Dies erschien logisch, wie auch, dass der Regisseur Ulf Otto, der das Buch mit Felicitas Zürcher bearbeitet hat, genauso alt ist wie das Erzähler- und Erleber-Ich von „Wilde Schafsjagd“. Außerdem sitzt man in den Sophiensælen wahnsinnig eng, wenn’s voll ist.
Das Buch, ein zugleich spannender und romantischer Detektivroman mit Fantasyelementen, spielt Ende der Siebzigerjahre. Der Held steht kurz vor seinem dreißigsten Geburtstag. Früher hatte er noch Ideale, nun arbeitet er lustlos in der Werbung. Wie viele der Ich-Helden Murakamis ist er gerade von seiner Frau verlassen worden. Gerade kommt er von der Beerdigung einer flüchtigen Freundin von früher, von der er nicht viel mehr weiß, als dass sie mit jedem ins Bett ging. Dann hat er ein Abschiedsgespräch mit seiner Exfrau.
Dann kommt der Abgesandte eines mächtigen Mannes der Rechten, der das System, die Börse, die Werbung und auch die Opposition, selbst im Hintergrund bleibend, kontrolliert und verlangt, dass eine bestimmte Werbekampagne eingestellt und vor allem ein Foto, mit dem geworben werden sollte, zurückgezogen wird.
Auf der Amateuraufnahme, die dem Werbetypen von dessen verschollenem Freund alter Tage zugespielt wurde, ist eine Landschaft mit Schafen zu sehen. Wenn man genauer hinguckt, ist eines dabei, dass es eigentlich nicht geben dürfte. Dieses Schaf hat einerseits mit der grauen Eminenz der Rechten, die gerade im Sterben liegt, zu tun, ist andererseits irgendwie mit „Ratte“, dem verschwundenen Freund, verbunden. Weil er nicht verraten will, woher er das Schafsbild hat, soll es der Ich-Held finden, andernfalls werde seine Existenz vernichtet, so der Abgesandte des Bösen. Von dieser Suche, die den Helden in den äußersten Norden Japans führt, erzählt der Roman. Ulf Otto liefert eine angenehm verträumte Kurzfassung, in der die detektivischen Elemente des Romans, notgedrungen vielleicht, etwas zu kurz kommen.
Er konzentriert sich auf die Kerndialoge und Passagen des Romans, die von Macht, Liebe und existenziellen Dingen handeln. Das einfache, schöne Bühnenbild besteht aus sternförmig angeordneten Leuchtstoffröhren, der Zeichnung also, die das gesuchte Schaf auf seinem Rücken trägt, einem Sofa und einer hölzernen Hammondorgel. Der Held (Godehard Giese) trägt einen brauen Anzug und Schwimmflossen, die sein Weltgefühl vielleicht etwas zu sehr vereindeutlichen.
Der Gesandte des Chefs ist eine nervös agierende Frau im braunen Kleid aus Latex (Bettina Hoppe). Das Schaf, also der Schafsmann, bzw. Ratte, der alte Freund des Helden (Diane Busuttli), der aus der Gesellschaft entflohen ist, ist der Schafsmannzeichnung von Murakami nachempfunden und von dessen eher misslungenem Nachfolgeroman „Tanz mit dem Schafsmann“ her interpretiert; also dionysisch tanzend, aber jugendfrei; eine Idee zu niedlich und schön vielleicht mit pechschwarzen Löckchen im hellen Gesicht. Das medial begabte Callgirl mit den überwältigend schönen Ohren kommt mit Rollerskates und roten Ohrenschützern wie ein liebes Mangamädchen daher.
Inhaltlich mag man dies oder jenes vermissen, anfangs übertönt auch die zu theatralische Sprechweise die wehmütige Grundstimmung des Textes, im Bildlichen und Atmosphärischen ist die Aufführung jedoch sehr gut gelungen.
„Wilde Schafsjagd“, heute bis Sonntag (27. 3.), 20 Uhr, Sophiensæle, Sophienstr. 18, Mitte