Kommentar (s.S.22): Blamabel
■ Rot-schwarzu beginnt wie befürchtet
Gott, ist das peinlich. Da rufen die beiden neuliebgewonnenen Koalitionspartner ein hartes Sparregiment für das Parlament aus: Weg mit dem zweiten Vize des Parlamentspräsidenten. Und keine 24 Stunden später fällt auch ihnen auf, daß die ganze Sparchose verfassungswidrig ist. Dabei ist die Verfassung gerade im letzten Herbst ausführlich debattiert und per Volksbefragung abgesegnet worden. Dabei ist der neue Bürgermeister Scherf im Nebenerwerb Senator für Justiz und – Narrhallamarsch – Verfassung, ausgerechnet.
Lassen wir mal die Frage beiseite, ob es denn ein so besonders guter politischer Stil der künftigen Regierung ist, die Sparorgie bei der Institution zu beginnen, die sie fortan kontrollieren soll, nämlich beim Parlament. Ein anderer Aspekt bei dieser kleinen Affaire blamable ist viel interessanter. Und der verbirgt sich hinter der Frage, wen die beiden Großen da einsparen wollten im Bürgerschaftspräsidium. Das war nämlich der Kandidat der größten Oppositionsfraktion, der Grünen. Die CDU- und SPD-Vertreter sollten fein drinbleiben. Genau so hatten wir uns die Große Koalition vorgestellt: Kaum im Amt, schon werden die Pfründe aufgeteilt. Sparen, aber nicht bei uns. Und was schert uns unser Oppositionsgeschwätz von gestern, von wegen Parlamentskultur.
Große Mehrheiten heißt große Beute. Können wir uns schonmal drauf einstellen. Jochen Grabler
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