Blackwater-Buchautor Scahill: "Krieg ist ein gutes Geschäft"
Private Sicherheitsfirmen wie Blackwater bilden Bushs Schattenarmee im Irak. Die Söldner sind jenseits des Rechts. Selbst wenn sie Zivilisten töten, so US-Autor Jeremy Scahill
taz: Herr Scahill, was unterscheidet Privatarmeen wie Blackwater von der US-Armee?
Jeremy Scahill: Für die Leute, die dort arbeiten, das Geld. Leute, die bei der US-Armee 40.000 US-Dollar im Jahr verdienen würden, bekommen bei Blackwater dreimal so viel. Außerdem ist es eine Frage der Kontrolle: Blackwater untersteht ja nicht automatisch der US-Regierung, sondern dem jeweiligen Auftraggeber.
Jeremy Scahill (33) ist ein US-amerikanischer Journalist und Autor des Buchs "Blackwater - Der Aufstieg der mächtigsten Privatarmee der Welt", das gerade auf Deutsch im Verlag Antje Kunstmann erschienen ist. Scahill arbeitet unter anderem für "The Nation". Er hat aus dem Irak und aus Jugoslawien berichtet und verschiedene Preise gewonnen, darunter den George Polk Award for Foreign Reporting.
Und was bringt es der US-Regierung, eine Firma wie Blackwater zu beschäftigen?
Viel. Mit Blackwater verfügt die Bush-Regierung über eine Schattenarmee mit 25.000 jederzeit einsetzbaren Söldnern, den Gerätschaften einer regulären Brigade und einer eigenen Luftflotte. Tote oder verletzte Söldner tauchen in der offiziellen Statistik nicht auf. Das mindert die Proteste gegen den Irakkrieg. Der Einsatz von Blackwater und anderen Söldnern verschleiert, wie viele US- Amerikaner wirklich im Irak sind.
Blackwater ist in den letzten zehn Jahren enorm gewachsen. Warum?
Mit einem Wort: Krieg. Etwas ausführlicher: aggressive Angriffskriege wie im Irak. Die Clinton-Regierung verschaffte Blackwater in den 90er-Jahren die ersten kleineren Aufträge im Volumen von ein paar hunderttausend Dollar. Für den Einsatz im Irak bekommt Blackwater derzeit jährlich eine halbe Milliarde Dollar im Jahr. Irgendetwas zwischen damals und heute ist also passiert: die Anschläge am 11. September 2001 und die Reaktion der Bush-Regierung darauf. Der Erfolg von Blackwater verdankt sich der Eskalation von Gewalt und Krieg. Krieg bedeutet für Blackwater Geschäft, und das Geschäft geht sehr gut. Es ging noch nie besser.
Wären die USA ohne private Militärunternehmen denn in der Lage, Kriege wie in Irak und Afghanistan zu führen?
Nein. Bush selbst hat gesagt, dass das private Militär wesentlich für diese Kriege ist. Es gibt zu wenig Rekruten in den USA und nur noch ein paar Staaten, die mit den USA im Irak kämpfen wollen. Deshalb sind Söldner zwingend erforderlich. Entweder die US-Regierung heuert Söldner an - oder sie akzeptiert, dass ihre Irakpolitik gescheitert ist. Das ist die Alternative.
Die US-Regierung braucht Blackwater also. Aber was ist, wenn Blackwater-Söldner Massaker begehen wie im September am Nisour-Platz in Bagdad, als 17 irakische Zivilisten getötet wurden? Das schadet dem Image der USA im Irak doch enorm?
Richtig. Dies könnte Blackwater tatsächlich das Genick brechen. Sogar Verteidigungsminister Robert Gates hat gesagt, Blackwater stehe dem Kampf gegen die Aufständischen im Weg - weil sie wie wild geworden um sich schießen und Leute töten. Denn das hat ja direkte Auswirkungen auf das US-Militär. Für das Massaker von Nisour machen die meisten Iraker die US-Armee verantwortlich, weil sie Blackwater-Söldner kaum von regulären Truppen unterscheiden können. Und so etwas kann Racheakte gegen US-Soldaten provozieren.
Sind die Blackwater-Täter denn vor Gericht gestellt worden?
Bis jetzt nicht. Das US-Militär hat den Fall zwar untersucht und entschieden, dass dies ein Verbrechen war. Aber Blackwater bewegt sich ja nicht in der Befehlskette der US-Armee, und passiert ist seitdem nichts. Die irakische Regierung will, dass Blackwater das Land verlässt. Doch es gibt eine Order von Paul Bremer, dem ersten Sondergesandten der US-Regierung im Irak, die allen Angestellten von US-Privatunternehmen Immunität vor Strafverfolgung im Irak garantiert. Wenn ein Blackwater-Angestellter also jemanden ermordet, kann ihn kein irakisches Gericht anklagen. Und das soll eine souveräne Regierung sein?
Sind denn nicht US-Gerichte zuständig für Verbrechen, die US-Bürger im Ausland begehen?
Schwierig. Es existiert ein Gesetz, dass ein Angestellter einer privaten Firma, der außerhalb der USA die Armee begleitet und dabei eine Straftat begeht, nach US-amerikanischem Recht verurteilt wird. Doch Blackwater arbeitet nicht fürs Militär, sondern für das State Department, also das Weiße Haus. Deshalb gibt es derzeit eine juristische Debatte, ob das Gesetz auch auf Blackwater anzuwenden ist. Das Justizministerium hat dem Kongress gerade mitgeteilt, dass es nicht weiß, ob es ein Gesetz gibt, um Blackwater zur Rechenschaft zu ziehen, weder im Militär- noch im Zivilrecht.
Wäre es Ihrer Ansicht nach denn sinnvoll, Blackwater-Täter nach dem Militärrecht anzuklagen?
Erstens ist das kompliziert, weil private Söldner im Moment eben nicht zum Militär gehören. Zweitens wäre es problematisch, weil man damit dem Militär erlauben würde, Zivilisten vor Gericht zu stellen und die Macht der Militärjustiz so erweitern würde. Ich halte Blackwater-Angestellte nicht für Zivilisten - aber das Problem gäbe es dann.
Es existiert also keine rechtlich unbedenkliche und machbare Art und Weise, die Täter zu verurteilen?
Doch, das Völkerrecht. Denkbar wäre etwa ein Tribunal wie zu den Kriegsverbrechen in Jugoslawien. Doch bekanntlich erkennt die Bush-Regierung das Recht des internationalen Gerichtshofs nicht an, US-Soldaten und Bürger zu belangen.
Arbeitet Blackwater eigentlich ausschließlich für die USA?
Nein, aber zu 90 Prozent.
Und die restlichen 10 Prozent? Wer sind die anderen Auftraggeber?
Es ist fast unmöglich, das herauszufinden. Blackwater sagt nicht mal dem Kongress, für wen sie noch arbeiten. Ich weiß, dass Blackwater schon für die jordanische Regierung gearbeitet hat. Aber es gibt auch Privatpersonen und Unternehmen, die sie anheuern.
Sie haben ein Buch über Blackwater geschrieben. Wie hat sich die Recherche gestaltet?
Kompliziert. Blackwater hat sich geweigert, mit mir zu sprechen. Auch Leute, die für Blackwater arbeiten, müssen einen Vertrag unterschreiben, in dem steht, dass sie 250.000 US- Dollar Strafe zahlen, wenn sie mit Journalisten reden. Blackwater ist auch kein börsennotiertes Unternehmen, es gibt keine Aktionäre, mit denen man sprechen könnte. Ich musste die Regierung verklagen, um deren Verträge mit Blackwater lesen zu können. Ein paar Leute im Kongress haben mir geholfen. Und ich habe einige Leute interviewt, die mal für Blackwater gearbeitet haben.
Der Boom von Blackwater basiert, wie Sie sagen, auf Bushs Kriegspolitik. Würde sich für Blackwater etwas ändern, wenn ein Demokrat die US-Präsidentenwahl gewinnt?
Wenn Barack Obama gewinnt, gäbe es eventuell Einbußen - aber das Genick wird Blackwater auch das nicht brechen. Hillary Clinton ist ohnehin eine der großen Unterstützerinnen des privatisierten Militärs. Generell gilt, dass diese Unternehmen mittlerweile tief in das System eingebettet sind. Sie sind selbst geschaffene Monster. Die privaten Militärunternehmen unterstützen den Wahlkampf, und zwar auf beiden Seiten. Blackwater gibt den Republikanern, andere den Demokraten. Die spielen alle im selben Team, wenn es darum geht, das Imperium zu verteidigen. Clinton als Präsident, Bush als Präsident, das ist alles mehr oder weniger dasselbe, wenn es um die Kontinuität des Imperiums geht.
INTERVIEW: PATRICIA HECHT
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