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Bitterer Ernst

■ "Unter den Linden", Arno Widmann, taz vom 7.4.90 - hier: Bezug auf denselben Beitrag in der DDR-Ausgabe der taz

Betr.: „Unter den Linden“, Arno Widmann, taz vom 7.4.90, (Magazin) - hier: Bezug auf denselben Beitrag in der DDR -Ausgabe der taz

(...) Ich suchte anfangs eigentlich ständig die Satire oder besser Ironie, die dahinter stecken mußte. Doch die gab es nicht, es war ernst gemeint.

Gut, es sollte jeder seine Meinung haben und diese auch loswerden können. Wer es aber mit so wenig Einfühlungsvermögen und Differenzierung tut, muß sich den Vorwurf der Arroganz gefallen lassen. Es gibt auch jetzt noch viele Menschen, für die ist dieses Land immer noch „unser Land“.

Ich will in keiner Weise das ehemalige politische System in Schutz nehmen, aber es gab und gibt auch noch so etwas wie eine DDR-Identität, so gut oder schlecht sie auch sein mag. Das muß auch für einen bundesdeutschen Korrespondenten, der sich auch mal mit den Menschen beschäftigt, ersichtlich sein. Aber nein, hier wird alles unter einen Hut gesteckt: CDU + PDS Stasi, in meinen Augen miesester Wahlkampf.

Was man den Autoren des Aufrufs „Für unser Land“ vorwerfen könnte, ist blauäugiger Idealismus, mehr nicht. Gott sei Dank gibt es noch so etwas wie Idealismus (meine persönliche Meinung). Doch hier werden diese Leute der Lüge bezichtigt. Okay, wir sind alle am vergangenen System schuld. Wer tiefer nachdenkt, muß zu dieser bitteren Erkenntnis kommen. Dazu brauche ich keine oberflächlichen, von Unkenntnis geprägten Äußerungen eines Westberliners. Damit ich nicht falsch verstanden werde, ich will hier keinen DDR-Nationalismus verbreiten und die Bundesrepublik pauschal verurteilen. Aber um zusammenzuwachsen, bedarf es auch der Bemühung, die Menschen hier zu begreifen, denn es gibt hier noch mehr als Kohl-Fanatismus, Bananen- und CocaCola-Hascherei. Mein Wunsch also: Herr Widmann möchte rüberkommen, sich mit den Leuten unterhalten und damit auch die Vergangenheit etwas bergreifen und dann seine Artikel schreiben.

Es lohnt sich, voneinander zu lernen, auch als West vom Ostbürger. Vor allem das „Von-oben-herab“ sollten doch einige Leute überdenken. Schließlich geht es um Millionen verschiedener Menschen und somit auch Charaktere, nicht um einen schuldbeladenen Einheits-DDR-Bürger, dem der große Bruder uneigennützig zur Seie steht.

(...auch weiterhin-taz-Leser Sven Lemiss, Berlin-Ost

Si tacuisses, Arno Widmann!

Welches Ausmaß an Besserwisserei kommt da zum Vorschein, wenn Sie mehr als 4 Monate nach dem Aufruf „Für unser Land“ derart neunmalkluge Oberlehrerei zu formulieren imstande sind? Die Geschichte hat den Aufruf längst korrigiert, insofern sind Ihre Zeilen mehr als überflüssig.

Mich würde interessieren, was Sie 1968 formuliert haben, wahrscheinlich würden mir dazu auch reichlich unfreundliche Bemerkungen einfallen.

Die „Untertanen“ in der DDR empören sich seit 1953, nicht erst seit der Zeit Gorbatschows. Ebenso unterschlagen Sie in Ihrer Profilneurose, daß der Ausverkauf der DDR inzwischen Realitgät ist. Das fängt bei den Hamsterkäufen der Westbürger an.

Ich habe nichts gegen Unfreundlichkeit, wohl aber gegen Demagogie

Dr. Christoph Dembowski, Bremen

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