: Bitte nicht konform
Ökobauern und konventionelle Landwirte führen eine friedliche Koexistenz. Alarmiert sind beide Seiten vom gleichen Szenario: Sie befürchten den Durchbruch der Gentechnik
VON TILMAN VON ROHDEN
Nur wenige Wochen brauchte Landwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU), um wesentliche Akteure des ökologischen Landbaus gegen sich aufzubringen. „Für mich sind konventionell wirtschaftende Bauern genauso wichtig wie Ökobauern“, sagte er in einem Interview. Was so harmlos daherkommt, könnte eine Wende in der Agrarpolitik bedeuten. Gar von einem „Rollback“ spricht Gustav Herzog, Landwirtschaftsexperte der SPD-Bundestagsfraktion.
Unmittelbar nach der umstrittenen Äußerung Seehofers jubelte der Deutsche Bauernverband (DBV). Die von Seehofer konstatierte Bevorzugung des ökologischen Landbaus sei in der Tat ein Fehler gewesen, der nun korrigiert werde, hieß es beim DBV. Doch so heiß wie gekocht wird selten gegessen.
Heute heißt es beim DBV, es gebe keine Gegensätze, die korrigiert werden müssten. „Am Stammtisch sitzen konventionelle wie ökologische Bauern friedlich beieinander“, sagt Michael Lohse, DBV-Sprecher. Bauern seien zwar während der Umstellung auf ökologische Standards bevorzugt, im Übrigen aber nicht. „Die Anschubförderung ist wegen der hohen Anfangskosten gerechtfertigt,“ sagt Lohse. Änderungen seien nicht sinnvoll oder notwendig. Das klingt ganz anders als die ersten Reaktionen des DBV auf die Seehofer-Äußerung.
Lohse ist ein PR-Profi. Der jubelt nur dann, wenn er seiner Klientel wirklich etwas vermeintlich Gutes anzubieten hat. Ganz anders sein Generalsekretär. Der jubelte, als der Minister sein Einschreiten ankündigte. Also Jubel übers Engagement an sich? Oder über die kommenden Verbesserungen für konventionell arbeitende Bauern? Das wäre voreilig. Wohl deshalb stimmt Lohse nicht in den Singsang seines Generalsekretärs ein. Denn Seehofer ist im Grunde ein König ohne Land. Seine Vorgänger haben den Besitz schon vor vielen Generationen nach Brüssel verpfändet.
Die angebliche Bevorzugung des ökologischen Landbaus wäre, wenn überhaupt, in Agrar- und Umweltprogrammen der EU festgeschrieben. Ökobauern können beispielsweise gefördert werden, wenn sie eine Hecke pflanzen, um Vögeln Nistplätze zu verschaffen. Doch an diese finanziellen Mittel würde Seehofer kaum drankommen. Dafür bräuchte er politische Mehrheiten in der Europäischen Union. Das scheint ausgeschlossen. Andererseits könnte der Minister die nationale Agrarförderung so umgestalten, dass die Ökobauern ihre angeblichen Privilegien verlieren. Mal abgesehen davon, dass er kaum Mittel streichen könnte, die ausschließlich Ökobauern treffen, werden sowieso mehr als 70 Prozent des Etats für soziale und nicht agrarische Belange genutzt. DBV-Sprecher Lohse gibt unumwunden zu, dass Seehofer „wenig machen kann. Die Landwirtschaft ist so stark EU-vergemeinschaftet wie kein anderer Bereich. Agrarpolitik findet in Brüssel statt, nicht in Berlin.“ Dennoch sind die Versuche Seehofers, der Agrarpolitik seinen Stempel aufzudrücken, ernst zu nehmen. Zwar fragt sich auch Alexander Hisstinger, Landwirtschaftsexperte bei Greenpeace, ob Seehofer überhaupt Einfluss hat. Zugleich ist sein Urteil eindeutig. Dass das Bundessortenamt jüngst eine gentechnisch veränderte Maissorte für den Anbau in Deutschland genehmigt hat, sei auf den Landwirtschaftsminister Seehofer zurückzuführen, sagt Hisstinger. Unter seiner Vorgängerin Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) sei es gelungen, eine auflagenlose Genehmigung immer wieder erfolgreich zu hintertreiben. Damals habe es nur zeitlich und mengenmäßig begrenzte Versuche zum Anbau von Gen-Mais gegeben.
Hisstinger glaubt, Seehofer müsse seine Rolle erst noch finden, denn 70 Prozent der konventionell anbauenden Bauern seien nach empirischen Untersuchungen gegen den Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft. „Seehofer verletzt nicht nur die Interessen der Ökobauern“, sagt Hisstinger. „Ich hoffe, er kann zur Vernunft gebracht werden.“ Zudem gebe es eine „entscheidende Veränderung“ im Gentechnik-Gesetz. Dies betrifft die Haftungsregelungen. Künftig müssen geschädigten Bauern im Falle einer Klage nachweisen, dass ihre Pflanzen genetisch verunreinigt wurden. Wer für eine Verunreinigung verantwortlich ist, kann im Einzelfall schwierig oder gar nicht nachzuweisen sein, wenn mehrere Gen-Bauern in Frage kommen. Zudem müsste ein Öko-Bauer erst einmal Geld auf den Tisch legen, um zu seinem Recht auf Entschädigung zu kommen.
Hisstinger ist jedoch nicht pessimistisch eingestellt. „Entscheidend ist das Bewusstsein der Verbraucher. Sie müssen erkennen, dass Vielfalt etwas Erstrebenswertes ist. Gentechnik bedeutet jedoch das genaue Gegenteil: Konformität.“