: Bitte nicht im Tempel!
Eine britische Dramatikerin verletzt mit einem Stück das Ehrgefühl gläubiger Sikhs. Die drohen prompt mit Mord
Die britisch-indische Dramatikerin Gurpreet Kaur Bhatti ist untergetaucht, nachdem man sie mit Mord bedroht hat. Von ihrem Stück „Behtzi“, zu Deutsch „Schande“, fühlten sich Sikhs in Großbritannien beleidigt. Es geht darin um Mord und Vergewaltigung, und alles spielt in einem „Gurdwara“, einem Tempel. Das Repertory Theatre in Birmingham setzte das Stück Anfang der Woche aus Sicherheitsgründen ab.
Bhatti hat sich seitdem nicht geäußert. Sie ist selbst Sikh und stammt aus Watford. „Behtzi“ ist ihr zweites Stück. Ihr erstes, „Behsharam“ (Schamlos), lief 2001 im Repertory Theatre und ging dann nach Soho. Bhattis Freundin, die Filmemacherin Shakila Taranum Mann, sagte vorgestern: „Die Polizei hat ihr geraten, sich zu verstecken. Sie glaubt, man will sie zensieren.“
Das will man wohl. Am Samstag versuchten 400 Demonstranten, das Theater zu stürmen. Drei Polizisten wurden in dem Handgemenge verletzt. Kim Kirpaljit Kaur Brom, eine Stadtverordnete und Sprecherin für die Demonstranten, sagte: „Wir gratulieren dem Theater zu seiner Entscheidung, nachdem wir unser demokratisches Recht auf Protest wahrgenommen haben.“
Die Staatssekretärin für Kunst und Abgeordnete für Birmingham, Estelle Morris, begrüßte die Entscheidung ebenfalls: „Obwohl es ein trauriger Tag für die freie Meinungsäußerung ist, glaube ich doch, dass das Theater richtig gehandelt hat.“
Das letzte Wort ist aber noch nicht gesprochen: Inzwischen hat ein anderes Theater in der mittelenglischen Stadt angeboten, das Stück aufzuführen. Neal Foster, Manager der Birmingham Stage Company, sagte: „Die Geschichte kann hier nicht zu Ende sein. Die freie Meinungsäußerung ist wichtiger als Gesundheit und Sicherheit.“ Die Leute vom Repertory Theatre bezeichnete er als „Feiglinge“.
Die heftige Reaktion der Sikhs hat in Großbritannien Verwunderung ausgelöst. Nach den Unruhen in den Achtzigerjahren war es eigentlich ruhig um die 336.000 britischen Sikhs geworden.
Ist Bhattis Fall mit dem von Salman Rushdie zu vergleichen, der 1988 untertauchen musste, nachdem er mit seinen „Satanischen Versen“ Muslime beleidigt hatte? Nein, meint Shamit Saggar, Professor an der Sussex University. „Damals ging es um eine entfremdete Minderheit, und Rushdies Buch brachte das Fass zum Überlaufen. Das ist diesmal anders. Es ist kein Ausdruck von sozialer oder wirtschaftlicher Entfremdung.“ Die Sikhs seien eine relativ erfolgreiche Minderheit, jedenfalls im Vergleich zu den Muslimen. RALF SOTSCHECK